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Joseph Anton

Joseph Anton

Titel: Joseph Anton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Rushdie
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wichtig war, so etwas regelmäßig zu tun, und kam sich blöd vor, nicht schon früher darauf gekommen zu sein. Zafar machte sich Sorgen wegen seines neuen Bruders, sagte er. Du bist ein ziemlich alter Vater, Dad, und wenn er groß wird, wird er ein sehr merkwürdiges Leben haben, genau wie ich. Er wollte Evie gern mit in die Bishop’s Avenue bringen. Doch zwei Wochen später war er todunglücklich. Evie, der er sich so nahe gefühlt hatte, weil sie beide ein indisches Elternteil hatten, hatte ihn für seinen besten Freund Tom verlassen. »Aber ich kann niemandem länger als ein paar Stunden böse sein«, sagte er rührenderweise. Er versuchte, mit beiden befreundet zu bleiben (und das mit Erfolg; Evie und Tom blieben zwei seiner engsten Freunde). Doch die Situation quälte ihn und schlug sich auf seine schulischen Leistungen wieder. Er musste sich anstrengen. Die A-Le vels waren nicht mehr weit weg.
    Zwei Wochen später durfte Zafar wieder sein Auto benutzen und baute auf der Stelle einen Unfall. Morgens um Viertel nach neun rief er an; der Unfall hatte sich gleich um die Ecke in der Winnington Road ereignet, doch seinem Knacki-Vater war nicht erlaubt zu tun, was jeder normale Vater tun würde – hinrennen und sichergehen, dass es seinem Sohn gutging. Stattdessen musste er voller Sorge in seinem Knast ausharren, derweil Elizabeth sich auf die Suche nach Zafar machte. Der Junge hatte Glück gehabt: Nasenbluten und eine aufgeplatzte Lippe, keine Stauchungen oder Brüche. Er hatte den Unfall verschuldet. Beim Versuch, ein rechts blinkendes Auto zu überholen, hatte er es gerammt und eine kleine Gartenmauer umgefahren. Die zuständige Polizei meinte, er hätte jemanden töten können, und möglicherweise würde man ihn wegen Fahrlässigkeit am Steuer belangen (was jedoch nicht passierte). Derweil machten die Schutzleute seines Vaters in der Bishop’s Avenue hilfreiche Kommentare wie: »Tja, der Junge ist ’nen heißen Reifen gefahren; das musste ja passieren.«
    Er rief Clarissa an, die wiederum die Schule in Kenntnis setzte. Dann rief er den völlig fertigen Zafar an, versuchte, ihm per Telefon liebevollen Beistand zu geben, und erzählte ihm die üblichen Sachen, dass er daraus lernen und ein besserer Fahrer werden würde und so weiter. »Bis ich in der Schule bin, ist es dort bestimmt schon überall rum«, sagte Zafar geknickt. »Ein paar Jungs haben mich im Vorbeifahren gesehen.« An dem Wochenende war er ganz kleinlaut und schrieb einen netten Brief an die Dame, deren Gartenmauer er umgemäht hatte und für deren Reparatur zwangsläufig sein Vater aufkommen würde.
    Zafar bekam die Ergebnisse für seine ›Probe-A-Levels‹ und musste feststellen, dass dieser wichtige Testlauf ziemlich in die Hose gegangen war. Zwei C und ein D in Englisch. »Wenn du nicht sofort etwas dagegen unternimmst«, blaffte er Zafar wütend an, »gehst du nicht zur Uni, sondern den Bach runter.«
    *
    Die indische Anthologie war fertig. Seine Einführung würde in Indien gewiss für Diskussionen sorgen, weil sie politisch unkorrekt war und behauptete, die interessanteste indische Literatur würde inzwischen in englischer Sprache verfasst. Einen ganzen Abend lang hatte er mit Anita und Kiran Desai darüber diskutiert. Die beiden hat ten vergeblich nach einem zeitgenössischen Hindi-Text gesucht, der eine Übersetzung ins Englische lohnte. Andere, mit denen er geredet hatte, meinten, natürlich gebe es da welche, Nirmal Verma, Maha sweta Devi, im Süden vielleicht O. V. Vijayan und Ananthamurthy, aber insgesamt sei es mit Literatur in den indischen bhashas gerade nicht besonders gut bestellt. Somit war seine Behauptung vielleicht nicht ganz falsch oder zumindest wert, diskutiert zu werden, doch ahnte er bereits, dass sie für heftige Reaktionen sorgen würde, und er behielt recht.
    Und zwei Tage nachdem er und Elizabeth die Anthologie abgegeben hatten, hätte die Polizei beinahe jemanden umgebracht.
    *
    Er saß in seinem Arbeitszimmer und schrieb an Der Boden unter ihren Füßen , als er einen ohrenbetäubenden Krach hörte. Als er nach unten stürzte, stand das gesamte Schutzteam mit geschockten und eindeutig schuldbewussten Mienen im Eingang. Einer der nettesten Beamten der derzeitigen Schutztruppe, ein grauhaariger, kultivierter Schlaks namens Mike Merrill, hatte versehentlich einen Schuss abgefeuert. Er hatte seine Waffe gereinigt und nicht bemerkt, dass noch eine Patrone im Magazin steckte. Die Kugel hatte ein Loch in die

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