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Joseph Anton

Joseph Anton

Titel: Joseph Anton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Rushdie
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geschlossene Tür des Aufenthaltsraumes geschlagen, war quer durch die Eingangshalle gesaust und hatte einen ordentlichen Krater in die gegenüberliegende Wand gerissen. Es war reines Glück, dass gerade niemand dort gewesen war. Die vom Special Branch genehmigte Putzfrau Beryl (die, wie er herausfand, mit Dick Stark eine Affäre hatte; er war natürlich verheiratet) war nicht da; es war nicht ihr Tag. Elizabeth war außer Haus, Zafar in der Schule. Es war also niemandem etwas passiert. Dennoch änderte sich mit diesem Zwischenfall etwas für ihn. Was, wenn Elizabeth oder Zafar gerade vorbeigekommen wären? In ein paar Monaten würde ein Baby in diesem Haus sein, und hier flogen Kugeln durch die Gegend. Seine Freunde kamen ihn hier besuchen. Das hätte jederzeit passieren können. »Diese Schusswaffen müssen aus meinem Haus verschwinden«, sagte er laut.
    Mike war zutiefst beschämt und entschuldigte sich immer wieder. Er wurde aus dem Schutzteam entfernt und ward nie mehr gesehen, was bedauerlich war. Ein anderer neuer Schutzbeamter, Mark Edwards, sagte im Versuch, ihn zu beruhigen: »In Zukunft wird das Prüfen und Säubern der Waffen nur zur Außenwand hin stattfinden und niemals hinter der Innentür. Das entsprach nicht den Vorschriften.« »Oh, sagte er, das nächste Mal ballert ihr also ein Loch in die Hauswand und nietet einen der Nachbarn um? Nein, vielen Dank.« Er war so vertrauensvoll gewesen, dass er niemals mit solch einem Fehler gerechnet hätte, doch jetzt war es geschehen und sein Ver trauen nicht so leicht wiederherzustellen. »Fakt ist«, sagte er, »dass ich keine bewaffneten Männer mehr in meinem Haus dulde.« Bei Scotland Yard war ein neues hohes Tier für seinen Fall zuständig, Detective Superintendent Frank Armstrong (der einmal Tony Blairs persönlicher Schutzbeamter und später vorübergehend stellvertretender Polizeichef mit ›Aufsicht über alle Einsatzbereiche‹ werden sollte, was im Grunde nichts anderes hieß, als dass er die Metropolitan Police unter sich hatte). Ein Treffen mit Armstrong war in einem Monat anberaumt. »So lange kann ich nicht warten«, sagte er seinem kleinlauten Team. »Ich will ihn sofort treffen.«
    Er sprach mit Rab Connolly, der zu ihm kam, um seinen offiziellen Bericht abzugeben, und sagte, dass er nicht die Absicht habe, eine Beschwerde gegen Mike oder sonst jemanden einzureichen, doch der Zwischenfall mache eines zwingend erforderlich: Die Schusswaffen müssten aus dem Haus verschwinden, und zwar sofort. Rab spulte seinen üblichen Text ab, was passieren würde, wenn das Haus auf flog, der »massive uniformierte Einsatz«, die gesperrte Straße und keine Schutzleute mehr, weil »alle sich weigern würden«. Dann sagte er: »Hätte anfangs jemand anders die Verantwortung gehabt und die richtigen Entscheidungen getroffen, müssten Sie sich gar nicht verstecken und würden ein ganz anderes Leben führen.« Danke, jetzt fühlte er sich entschieden besser. So redete die Polizei mit ihm. Wenn er dies wollte, wollten sie jenes nicht tun. Wenn er jenes wollte, stellten sie sich mit diesem quer. Ach, und wäre alles von Anfang an richtig gemacht worden, wäre es jetzt nicht falsch, aber weil es jetzt falsch war, konnte man es nicht mehr richtig machen.
    Er stand unter Schock. In seinem Haus war eine Pistole abgefeuert worden. Elizabeth würde bald zurück sein. Er musste sich beruhigen, damit er vernünftig mit ihr darüber reden konnte. Es nützte nichts, wenn sie beide hysterisch waren. Er musste sich zusammenreißen.
    *
    Frank Armstrong, ein stämmiger Mann mit kräftigen Augenbrauen und einem routiniert aufmunternden Lächeln, der das Kommandieren gewohnt war, kam in Begleitung von Rab und Dick Stark zu ihm nach Hause.
    Etwas bereitete ihm Sorgen. Mr Antons Freund Ronnie Harwood war ein alter Kumpel von Innenminister Michael Howard und hatte um ein Treffen gebeten, um über den Schutz im Fall Rushdie zu sprechen. »Worum geht es da?«, wollte Frank Armstrong wissen. »Ich nehme an, es geht darum, mir ein einigermaßen würdevolles Leben zu erlauben«, entgegnete er. »Und es muss einen Plan geben, falls dieses Haus auffliegt. Das verlangt sowohl nach einer politischen als auch einer polizeilichen Entscheidung. Ich will, dass jeder sich auf dieses Thema konzentriert und darüber nachdenkt. Das habe ich auch zu der Labour-Führung gesagt, und das Gleiche wird Ronnie Michael Howard sagen.«
    Alles war politisch. Jetzt, da Armstrong begriffen hatte, dass er seine

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