Joseph Anton
Studienplatz bekommen? Sein Schicksal liegt jetzt in seinen Händen. Doch zumindest weiß er und hat immer gewusst, dass er grenzenlos geliebt wird. Mein erwachsener Sohn.«
Das Geburtstagskind kam morgens vorbei und bekam sein Geschenk – ein Autoradio – und einen Brief überreicht, in dem sein Vater ihm sagte, wie stolz er auf ihn sei, auf seinen Mut und sein aufrechtes Wesen. Er las ihn und sagte gerührt: » Das ist aber nett.«
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Er schrieb und redete, stritt und kämpfte. Nichts änderte sich. Bis auf die Regierung. Er hatte ein sehr gutes Treffen mit Derek Fatchett, der inzwischen Robin Cooks Stellvertreter im Auswärtigen Amt war, und die Atmosphäre war eine völlig andere als zu Tory-Zeiten. »Wir werden die Sache vehement vorantreiben«, versprach Fatchett und sagte, er werde sich um das indische Einreiseverbot und British Airways kümmern und helfen, wo er könne. Plötzlich fühlte er, dass er die Regierung auf seiner Seite hatte. Ob das einen Unterschied machte? Die Laute, die das neue iranische Regime von sich gab, waren nicht sonderlich vielversprechend. Der neue, ›moderate‹ Präsident Khatami schickte ihm Geburtstagsgrüße: »Salman Rushdie wird bald sterben.«
Laurie Anderson hatte angerufen und gefragt, ob er einen Text über Feuer habe. Sie plane einen Performance-Abend, um Spenden für ein Kinderkrankenhaus der Hilfsorganisation War Child zu sammeln, und habe ein großartiges Feuervideo, zu dem ihr noch der Text fehle. Er fasste einige Passagen aus dem ›London brennt‹-Teil von Die satanischen Verse zusammen. Laurie hatte Brian Eno gebeten, ein paar Soundschleifen aufzunehmen, die sie während seiner Lesung von einem kleinen, versteckten Mischpult aus einspielen würde. Für Proben blieb keine Zeit, und so ging er auf die Bühne und fing an zu lesen, während das Feuervideo hinter ihm loderte und die von Laurie eingespielte Eno-Musik ohne Vorwarnung an- und abschwoll und ihn wie einen Surfer oder tollkühnen Skater über die Klangwellen trieb, zu denen sich seine Stimme senkte und hob. Es war mit das Amüsanteste, was er je gemacht hatte. Zafar kam mit einem Mädchen namens Melissa und hörte seinen Vater das erste Mal lesen. »Ein paarmal hast du dich verhaspelt, und du zappelst zu viel rum, das lenkt ab«, sagte er hinterher, aber insgesamt schien es ihm gefallen zu haben.
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Sie aßen bei Antonia Fraser und Harold Pinter zu Abend, und Harold hielt Milan lange auf dem Schoß. Schließlich reichte er ihn Elizabeth und sagte, »Wenn er groß ist, kannst du ihm sagen, sein Onkel Harold hat es sehr genossen, mit ihm zu kuscheln.«
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Der Chef von British Airways, Robert Ayling, hielt an Zafars Schule einen Vortrag, und Zafar konfrontierte ihn mit der Weigerung der Flugline, seinen Vater mitzunehmen, und ging ihn minutenlang dafür an. Als die BA ihr Flugverbot schließlich änderte, erzählte Ayling, wie sehr Zafars Appell ihn gerührt habe. Es war Zafar, der das Herz des Fluglinienchefs erweicht hatte.
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Sommer in Amerika! Kaum war Milan alt genug zu fliegen, brachen sie zu ihren jährlichen Wochen sommerlicher Freiheit auf … diesmal in der Maschine einer britischen Fluglinie, ein Direktflug, und alle drei zusammen! Virgin Atlantic hatte sich bereit erklärt, sie in die USA mitzunehmen. Keine Flüge nach Oslo, Wien oder Paris mehr, um eine aufnahmebereite Maschine zu bekommen. Ein Stein hatte sich aus der Gefängnismauer gelöst.
Das Haus der Grobows war behaglich, ihre Freunde waren in ihrer Nähe – Martin und Isabel waren in East Hampton, Ian McEwan und Annalena McAfee hatten ein Haus in Sag Harbor gemietet, und viele andere nette Menschen kamen sie aus der Stadt besuchen –, und sie hatten ein neues Baby und Hochzeitspläne. Das war ihr jährliches Doping, die Zeit, die ihnen die Kraft gab, den Rest des Jahres zu überstehen. Die Bäume waren voller Vögel, der Wald voller Rehwild, das Meer war warm und Milan war zwei Monate alt und süß und fröhlich und verschmitzt und zauberhaft. Alles war perfekt, bis auf eines. Vier Tage nach ihrer Ankunft hatten sie von Tristram Powell erfahren, dass die indische Regierung der BBC die Drehgenehmigung für Mitternachtskinder auf indischem Boden verweigert hatte. »Vernünftigerweise soll der falsche Eindruck vermieden werden«, hieß es in einer Regierungsverlautbarung, »wir würden den Autor in irgendeiner Weise unterstützen.« Die Sätze brannten sich in sein Herz. »Der Produzent Chris Hall ist auf dem Weg nach Sri Lanka, um
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