Joseph Anton
don gingen, rief David Rieff an und sagte, in Paris habe es einen Autounfall gegeben, Prinzessin Diana sei schwer verletzt und ihr Liebhaber Dodi al-Fayed tot. Sämtliche Fernsehkanäle berichteten darüber, doch konkrete Angaben zur Prinzessin gab es nicht. »Wenn sie noch am Leben wäre, hätten sie uns das gesagt. Wenn es keine Neuigkeiten über ihren Zustand gibt, bedeutet das, sie ist tot«, sagte er zu Elizabeth, als sie ins Bett gingen. Am Morgen brachte die Titelseite der New York Times die Bestätigung, und Elizabeth weinte. Den ganzen Tag über wurden mehr und mehr Einzelheiten bekannt. Die Paparazzi, die ihr auf Motorrädern nachgejagt waren. Der viel zu schnelle Wagen, der betrunkene Fahrer, der 190 Sachen gefahren war. Dieses arme Mädchen hatte kein Glück , dachte er. Ihr unglückliches Ende kam just zu dem Zeitpunkt, an dem ein glücklicherer Anfang möglich schien. Doch zu sterben, weil man nicht fotografiert werden wollte, war ein Irrsinn. Wären sie einen Moment lang auf den Treppen des Ritz stehen geblieben und hätten die Paparazzi ihre Arbeit machen lassen, wären sie vielleicht nicht verfolgt worden und hätten nicht in dieser Wahnsinnsgeschwindigkeit gegen einen Betonpfeiler rasen und für nichts ihr Leben lassen müssen.
J. G. Ballards großartiger Roman Crash mit seiner fatalen Mischung aus Liebe, Tod und Autos kam ihm in den Sinn, und er dachte, vielleicht sind wir alle verantwortlich, unsere Gier nach dem Bild von ihr hat sie umgebracht, und womöglich waren die phallischen Rüssel der Fotoapparate, die durch das zertrümmerte Wagenfenster auf sie zudrängten, das Letzte, was sie im Moment ihres Todes sah, klick, klick, klick. The New Yorker bat ihn, zu diesem Anlass etwas zu schreiben, und er lieferte einen Text in diesem Tenor, den der Daily Insult in England pietätlos ›eine satanische Version‹ nannte, als hätte der Insult nicht liebend gern ein Vermögen für die Bilder hingeblättert, wegen der die Paparazzi ihr nachgejagt waren, als hätte der Insult den Anstand gehabt, die Bilder des zertrümmerten Autos nicht zu veröffentlichen.
Milton und Patricia Grobow waren jetzt über alles im Bilde; sie hatten in der Lokalzeitung von der Hochzeit gelesen. Sie waren ent zückt und ›stolz‹ und glücklich, ihre Vereinbarungen auch für die nächsten Jahre aufrechtzuerhalten. Patricia sagte, sie sei Kindermädchen bei den Kennedys gewesen und somit ›an Diskretion gewöhnt‹. Milton war fast achtzig und schon sehr gebrechlich. Die Grobows meinten, sie überlegten, den Rushdies das Haus zum Kauf anzubieten.
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Wenige Tage nach ihrer Rückkehr nach London flog er nach Italien, um am Literaturfestival in Mantua teilzunehmen, doch offenbar hatte niemand seinen Besuch mit der örtlichen Polizei abgeklärt, die ihn in seinem Hotel festhielt und ihm die Teilnahme an den Veranstaltungen des Festivals verweigerte. Schließlich versuchte er, seinen chilenischen Trick zu wiederholen, und marschierte einfach auf die Straße hinaus, derweil viele der anderen Schriftsteller eine Art Ehrengarde bildeten, doch die Polizei brachte ihn auf die Wache und hielt ihn dort mehrere Stunden in einem ›Wartezimmer‹ fest, bis der Bürgermeister und der Polizeichef beschlossen, einen Skandal zu vermeiden und ihm zu erlauben, das zu tun, wozu er in ihre Stadt gekommen war. Nach Wochen normalen Lebens in den Vereinigten Staaten war die Rückkehr zur europäischen Willkür entmutigend.
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Stets darauf aus, sich bei seinen islamischen Wählern beliebt zu machen, verkündete der Labour-Innenminister Jack Straw in London, durch eine neue Gesetzgebung werde der archaische, veraltete und längst zur Abschaffung fällige Gotteslästerungsparagraf über die Church of England hinaus auf andere Religionen ausgeweitet, was es unter anderem wieder ermöglichte, Die satanischen Verse zu verfolgen und zu verbieten. So viel zur ›Regierung seiner Freunde‹, dachte er. Doch obgleich Straws Vorstoß scheitern sollte, suchte Blairs Regie rung jahrelang nach Wegen, Religionskritik – beispielsweise am Is lam – für rechtswidrig zu erklären. Einmal ging er in Begleitung von Rowan Atkinson (›Mr Bean geht nach Whitehall‹) ins Innenministerium, um dagegen zu protestieren. Rowan, im wirklichen Leben ein verhaltener, besonnener Mann, wollte von den gesichtslosen Männern und dem Staatssekretär wissen, wie es mit Satire stehe. Natürlich waren sie alle Fans von ihm und wollten, dass er sie zurückliebte. Oh, Comedy, wir
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