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Joseph Anton

Joseph Anton

Titel: Joseph Anton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Rushdie
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herauszufinden, ob wir dort drehen dürfen«, sagte Tristram in seiner begütigenden Art. »Jeder bei der BBC weiß, wie viel Mühe drinsteckt und wie gut die Drehbücher sind, und sie versuchen alles, um die Sache zu retten.« Doch er war zu Tode betrübt. Indien, seine große Liebe, hatte ihm gesagt, er solle sich verpissen, und wollte ihn in keiner Weise unterstützen. Mitternachtskinder , sein Liebesbrief an In dien, war eines Drehs in Indien nicht für tauglich befunden worden. Diesen Sommer würde er an Der Boden unter ihren Füßen arbeiten, einem Roman über Menschen ohne Wurzeln, Menschen, die vom Fortgehen und nicht von einer Heimat träumten, und dieses schreckliche Gefühl, verschmäht und verstoßen worden zu sein, würde ihm als Treibstoff dienen.
    Die Geschichte erreichte die britische Presse, doch er sah nicht hin. Er war im Kreis seiner Freunde und schrieb sein Buch, und schon bald würde er die Frau heiraten, die er seit sieben Jahren liebte. Bill Buford besuchte sie mit seiner Freundin Mary Johnson, eine spritzige Betty-Boop-Doppelgängerin aus Tennessee, und die Wylies und Martin und Isabel kamen zu einem riesigen Barbecue, zubereitet von Bill, der ein ziemlich guter Koch geworden war. Er führte Elizabeth zu einem vorgezogenen Hochzeitsdate ins American Hotel in Sag Harbor aus. Der Avantgarderegisseur Robert Wilson lud ihn zu den Proben seines neuen Stückes ein und bat ihn, einen Text beizusteuern. Über eine halbe Stunde ließ er sich von Bob das Stück erklären und musste am Ende zugeben, dass er kein einziges Wort verstanden hatte. Robert McCrum kam für eine Nacht. Elizabeth redete mit dem astronomisch teuren Feinkostgeschäft Loaves & Fishes und bestellte das Essen und die Getränke für die Hochzeit. Sie fuhren zum Rathaus von East Hampton und besorgten die Heiratserlaubnis. Er kaufte sich einen neuen Anzug. Zafar rief mit großartigen Neuigkeiten aus London an: Seine A-Level-Ergebnisse waren gut genug, um ihm einen Studienplatz an der Uni Exeter zu sichern. Freude und Hochzeitsstimmung dämpften den indischen Schlag.
    Dann eine weitere Abfuhr aus Indien. Bill Buford war zu der großen New Yorker Feier anlässlich des fünfzigsten Jahrestages der indischen Unabhängigkeit eingeladen worden, die am 15. August 1997, dem Unabhängigkeitstag, im indischen Konsulat in Manhatten stattfinden sollte. Als er die Konsulatsmitarbeiter wissen ließ, dass Mr Rushdie in der Stadt sei, schreckten sie zurück, als hätte er ihnen eine Klapperschlange unter die Nase gehalten. Eine Frau rief Bill an und stammelte eine Erklärung. »Angesichts all dessen, was seine Person umgibt … hatten wir das Gefühl … nicht zu seinem Besten … eine sehr große Veranstaltung … sehr viel Publicity … der Generalkonsul ist nicht in der Lage … nicht zu unserem Besten …« An Indiens fünf zigstem Geburtstag, Saleem Sinais Geburtstag, würde Saleems gute Fee nicht zum Ball gehen. Er würde es nicht zulassen, dass das offizelle Indien seine Liebe zu dem Land und seinen Menschen zerstörte, versprach er sich. Selbst wenn das offizielle Indien ihn nie mehr einen Fuß in sein Heimatland setzen ließe.
    Wieder flüchtete er sich in das Gute. Er fuhr in die Stadt und besorgte bei Tiffany’s ein Hochzeitsgeschenk für Elizabeth. Er gab Interviews für die Mirrorwork -Anthologie und ging ins Roseland, um David Byrne ›Psycho Killer‹ singen zu hören. Er aß mit Paul Auster und Siri Hustvedt zu Abend. Paul schrieb an einem Film namens Lulu on the Bridge, bei dem er auch Regie führte, und wollte, dass er einen üblen Vernehmungsbeamten spielte, der Harvey Keitel ins Kreuzverhör nahm. (Ein übler Vernehmungsbeamter nach Robbe-Grillets médecin assez sinistre : War das sein Rollenfach?) Zafar kam nach New York geflogen, und bei achtunddreißig Grad im Schatten fuhren sie zusammen mit dem Linienbus nach Bridgehampton zurück. Als er im Little Noyac Path eintraf, war Elizabeth argwöhnisch und misstrauisch. Was hatte er in New York gemacht? Mit wem hatte er sich getroffen? Die Wunde seines flüchtigen Seitensprungs war noch immer nicht verheilt. Er wusste nicht, was er tun sollte, außer ihr zu sagen, dass er sie liebte. Er fürchtete um die Hochzeit. Doch fünf Minuten später schüttelte sie ihre Befürchtungen mit einem Achselzucken ab und sagte, alles sei gut.
    Er zog mit Ian McEwan los, um Abendessen beim Thai zu holen. »Wissen Sie, wie Sie aussehen, Sie aussehen wie dieser Mann, der dieses Buch geschrieben hat«,

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