Joseph Anton
sagte die Thailänderin in Chinda’s Restaurant. Ja, gab er zu, das bin ich. »Oh, gut. Ich das Buch gelesen, mir gefallen, dann Sie geschrieben noch ein Buch, aber ich nicht gelesen. Als Sie angerufen, um zu bestellen, sie Rind bestellen, und wir gedacht, vielleicht ist Billy Joel, aber nein, Billy Joel kommt immer donnerstags.« Beim Abendessen erzählte Martin, er wolle Saul Bellow besuchen. Er beneidete Martin um diese Freundschaft mit dem größten amerikanischen Erzähler der Gegenwart. Doch er hatte Wichtigeres zu tun. In vier Tagen würde er heiraten, und das sollte das Ende der Welt bedeuten oder zumindest das Ende der Welt nach Arnold Schwarzenegger: In Terminator 2 war der 29. August 1997, der Tag nach ihrer Hochzeit, der ›Tag der Abrechnung‹, an dem die vom Supercomputer Skynet kontrollierten Maschinen einen nuklearen Vernichtungsschlag gegen die menschliche Rasse führten. Sie würden also am letzten Tag der Welt heiraten, wie sie sie kannten.
Das Wetter war herrlich, und die Cosmeen strahlten mit dem Himmel um die Wette. Ihre Freunde versammelten sich auf dem Anwesen von Isabels Familie, und er ging den Richter holen. Und dann standen sie alle im Kreis, Paul und Siri und die kleine Sophie Auster, Bill und Mary, Martin und Isabel und die beiden Amis-Jungen und Annalena und die beiden McEwan-Jungen und Andrew und Camie und deren Tochter Erica Wylie und Hitch und Carol und deren Tochter, seine ›Nicht-Taufpatentochter‹ Laura Antonia Blue Hitchens und Isabels Mutter, Betty Fonseca, und Bettys Mann Dick Cornuelle, in dessen Garten sie standen, und Milan auf Siris Arm und Zafar und Elizabeth mit Rosen und Lilien im Haar. Es wurde gelesen. Bill las ein Shakespeare-Sonett, das übliche, und Paul las das unübliche, aber wohlüberlegte Gedicht ›Die Efeukrone‹ von William Carlos Williams über die Liebe, die erst später im Leben kommt:
In unserem Alter
hebt uns die Imagination
über die traurigen Tatsachen hinweg
und macht, dass vor den Dornen
Rosen stehn.
Sicher
Liebe ist grausam
selbstsüchtig und
vollkommen stumpf –
Zumindest junge Liebe,
geblendet vom Licht, ist so.
Wir aber sind älter:
Ich um zu lieben
Du um geliebt zu werden
Haben wir,
gleichgültig wie,
durch unseren Willen überlebt
um den
juwelengeschmückten Preis
jederzeit
ergreifen zu können.
Wir wollten es so
Und so ist es
Jenseits des Zufalls.
An diesem Abend feierten sie ihre sieben Jahre unfasslichen Glücks, seit sie inmitten eines Wirbelsturms zueinandergefunden und sich nicht in Angst vor dem Sturm, sondern im Glück, einander gefunden zu haben, aneinandergeklammert hatten. Ihr Lächeln hatte seine Tage und ihre Liebe seine Nächte erhellt, und ihr Mut und ihre Wärme hatten ihm Kraft gegeben, und natürlich, gestand er ihr und all seinen Freunden in seiner abendlichen Hochzeitsrede, hatte er sich auf sie gestürzt, und nicht umgekehrt. (Als er das zugab, nachdem er sieben Jahre vehement das Gegenteil behauptet hatte, prustete sie verblüfft los.) Und die Welt ging nicht zugrunde, sondern war am nächsten Tag wieder da, erfrischt, erneuert, jenseits des Zufalls . Wir sind nur sterblich , sagte der Dichter, aber da wir sterblich sind / können wir unser Schicksal verachten.
Die Sache der Liebe
ist Grausamkeit, welche
wir durch unseren Willen
verwandeln,
um miteinander zu leben.
Und am Tag, an dem die Welt weiterlebte, heirateten auch Ian und Annalena im Rathaus von East Hampton. Eigentlich hatten sie eine Party am Strand geplant, doch weil das Wetter nicht mitspielte, kamen alle in den Little Noyac Path, und den ganzen Nachmittag und Abend wurde weiter Hochzeit gefeiert. Der Himmel klarte auf, und sie spielten lausigen, ›unamerikanischen‹ Baseball auf dem Feld hinter dem Haus und dann gingen Ian und er wieder zu Chindas und holten Thai-Essen, und er war noch immer nicht Billy Joel.
*
Die britische Presse hatte sofort Wind von der Hochzeit bekommen – die Zeremonie war kaum zu Ende, da hatten die East Hamptoner Rathausangestellten die Neuigkeit schon durchsickern lassen – und sämtliche Zeitungen berichteten darüber, mit Elizabeths vollem Namen. Nun war sie doch endlich sichtbar geworden. Einen Moment lang brachte sie das aus dem Gleichgewicht, doch dann fing sie sich wieder, und entschlossen und optimistisch, wie sie war, gewöhnte sie sich daran. Er hingegen empfand es als große Erleichterung. Er war das Versteckspiel satt.
Als sie abends nach dem Barbecue am Gibson Beach zu John Ave
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