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Joseph Anton

Joseph Anton

Titel: Joseph Anton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Rushdie
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Auswärtigen Amt herrschte gespannte Erwartung. »Okay«, sagte er, »aber wir müssen eindeutige Aussagen zur Fatwaund zum Kopfgeld haben. Die britische Regierung muss ein klares Statement abgeben können, dass die Sache vorbei ist. Andernfalls lassen wir den Iran vom Haken, und dann könnte es zu einem vermeidbaren Anschlag durch Hardliner oder die Hisbollah kommen. Wenn es gute Neuigkeiten sind, dann sollte Mr Blair das sagen. Sie lassen ihren obersten Mann sprechen, also sollten wir das Gleiche tun.« Die UN -Generalversammlung trat in New York zusammen. Britische und iranische Regierungsvertreter kamen am Nachmittag zusammen, um die Sache zu besprechen. Die beiden Außenminister Robin Cook und Kamal Harrazi sollten sich am kommenden Vormittag treffen. Offenbar wollte der Iran wirklich zu einer Einigung kommen.
    Am Morgen des 24. um neun Uhr dreißig – vier Uhr morgens in New York! – rief Robin Cook an und sagte, was seiner Meinung nach erreicht werden könnte. »Wir werden eine verbindliche Zusage kriegen, doch wird die Fatwanicht formell für ungültig erklärt werden, denn das ist nach Khomeinis Tod offenbar nicht möglich. Wie es aussieht, gibt es im Iran keinerlei Hardliner-Aktivitäten. Einen besseren Deal kriegen wir voraussichtlich nicht. So klar und deutlich haben die sich noch nie geäußert.« Jetzt saß er also zwischen den Stühlen. Das Kopfgeld und die Fatwa würden bestehen bleiben, doch die iranische Regierung würde sich davon ›lossagen‹ und niemanden ›ermutigen oder befugen‹, die Drohung umzusetzen. Robert Fisk vom Independent schrieb, dies sei nicht mehr im Interesse des Iran. Stimmte das? Im besten Fall hatte Cook recht, und die Iraner machten wirklich eine Zusage und waren ehrlich daran interessiert, diese Geschichte hinter sich zu lassen und einen Strich darunter zu ziehen; und auch die britische Regierung würde ihren Ruf aufs Spiel setzen und sich auf eine Abmachung einlassen, die nicht gebrochen werden konnte, ohne dass beide schlecht dastanden. Die größte Bedrohung seines Lebens war stets vom MOIS , dem iranischen Geheimdienst, ausgegangen, und wurde der ›zurückgepfiffen‹, dann würden Mr Afternoon und Mr Morning ihm das gewiss bestätigen können. Eine öffentliche Einigung auf höchster Ebene würde jedem das Gefühl geben, dass die Sache ein Ende hatte. Die Lage der Dinge schuf sich ihre Gesetze.
    Und im schlimmsten Fall würden die Hardliner weiterhin versuchen, ihn umzubringen, und es endlich schaffen, sobald sein Personenschutz aufgehoben würde.
    *
    Am selben Nachmittag um vier traf er Frances D’Souza und Carmel Bedford in den Räumen von Artikel 19 in Islington, und sie alle waren sehr besorgt. Die Vereinbarung klang unzureichend, es wurde nicht genug angeboten, doch reagierte er nicht positiv darauf, könnte er als kontraproduktiv dastehen, und wenn er es täte, würde die Verteidigungskampagne jegliche Verhandlungsmacht verlieren. Seine einzige Hoffnung sei, dass die Glaubwürdigkeit beider Regierungen von dieser Vereinbarung abhing, sagte er Frances und Carmel.
    Zu dritt begaben sie sich ins Auswärtige Amt, wo sie um fünf Uhr zwanzig mit Derek Fatchett zusammentrafen. Er hatte Fatchett immer gemocht, er war ein anständiger, aufrichtiger Mensch, und nun sah dieser ihm direkt in die Augen und sagte: »Die Vereinbarung ist ernstzunehmen, die Iraner sind entschlossen, sämtliche Führungsbeteiligte haben zugestimmt. Ich bitte Sie, der britischen Regierung zu vertrauen. Sie sollten wissen, dass Neil Crompton und seine Kollegen hier im Außenministerium seit Monaten mit härtesten Bandagen verhandelt haben. Sie sind allesamt überzeugt, dass der Iran es ernst meint.« – »Wieso sollte ich das glauben? Wieso sollte ich nicht zu dem Schluss kommen, dass das alles Blödsinn ist?« – »Weil im Iran keiner Blödsinn erzählt, wenn es um Rushdie geht«, sagte Fatchett. »Diese Politiker riskieren ihre Karriere. Sie würden das nicht tun, wenn sie nicht genau wüssten, dass sie grünes Licht von ganz oben haben.« Khatami war gerade von der Generalversammlung nach Teheran zurückgekehrt und hatte erklärt, »der Fall Salman Rushdie ist definitiv abgeschlossen«, und war am Flughafen von Khameneis persönlichem Repräsentanten begrüßt und umarmt worden. Das war ein bedeutsames Zeichen.
    Er fragte nach dem Lagebericht, den er gerade von Mr Morning und Mr Afternoon erhalten hatte, in dem es hieß, die Gefahr für sein Leben bleibe unverändert hoch. »Das ist

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