Joseph Anton
überholt«, meinte Fatchett. Er fragte nach der Hisbollah im Libanon, und Fatchett sagte: »Die haben damit nichts zu tun.« Er fragte noch eine ganze Weile weiter, und plötzlich öffnete sich etwas in ihm, und eine Welle der Rührung stieg ihn ihm auf, und er sagte: »Okay. Wenn das so ist, hurra, und danke, danke Ihnen allen aus tiefstem Herzen.« Seine Augen füllten sich mit Tränen und die Emotionen ließen ihn verstummen. Er um armte Frances und Carmel. Der Fernseher wurde eingeschaltet, und auf Sky News sah man Cook und Kharrazi Seite an Seite live in New York das Ende der Fatwaverkünden. Er saß in Fatchetts Büro im Auswärtigen Amt und sah zu, wie die britische Regierung alles daransetzte, sein Leben zu retten. Dann ging er mit Derek Fatchett hinaus; die Kameras warteten und er trat auf sie zu und sagte: »Wie es aussieht, ist es vorbei.« – »Was bedeutet das für Sie«, fragte die nette junge Frau mit dem Mikro in der Hand. »Alles«, sagte er und kämpfte mit den Tränen. »Es bedeutet Freiheit.«
*
Als er im Auto saß, rief Robin Cook aus New York an, und er dankte ihm ebenfalls. Selbst die Polizei war gerührt. »Das ist sehr aufregend«, sagte Bob Lowe. »Ein historischer Moment.«
Zu Hause brauchte Elizabeth eine Weile, um es zu glauben, doch nach und nach wuchs die Freude. Martin Bache, einer seiner ältesten Freunde aus Collegezeiten war da, und Pauline Melville stürzte herbei, und so hatten sie beide jemanden bei sich, der ihnen besonders nahestand, und das fühlte sich richtig an. Und Zafar war da, ergrif fener, als sein Vater ihn je erlebt hatte. Und da war das Telefon, immer das Telefon. So viele Freunde und Gratulanten. William Nygaard rief an; vielleicht der wichtigste Anruf von allen. Der weinende Andrew. Er rief Gillon an, um auch ihm zu danken. Er rief Clarissa an, um ihr dafür zu danken, dass sie in all diesen langen, schweren Jahren für Zafar gesorgt hatte. Nacheinander riefen all seine Freunde an. Der Einzug zum Tor mit allen Freuden , dachte er. Der Tag, mit dem er niemals gerechnet hätte, war gekommen. Und, ja, es war ein Sieg, es war um Bedeutendes gegangen, nicht nur um sein Leben. Es war ein Kampf um Grundsätzliches gewesen und sie hatten gesiegt, sie alle gemeinsam.
Er rief Christiane Amanpour an und gab ihr ein Statement. Alle anderen würden bis zur Pressekonferenz am folgenden Tag warten müssen.
Und hätte er in einem Märchen gelebt, wäre er zu Bett gegangen und wäre als freier Mann wieder aufgewacht, und die Wolken wären aus dem Himmel verschwunden, und er und seine Frau und seine Kinder wären glücklich bis an ihr Ende.
Doch er lebte nicht in einem Märchen.
*
Es gibt Menschen, für die dies vermutlich kein großer Tag ist. Ich möchte vor allem an die Familie des ermordeten japanischen Übersetzers von Die satanischen Verse, Professor Hitoshi Igarashi, denken. Ich möchte an den italienischen Übersetzer Dr. Ettore Capriolo denken, der mit dem Messer angegriffen wurde und zum Glück genesen ist; und an meinen herausragenden norwegischen Verleger William Nygaard, dem mehrmals in den Rücken geschossen wurde und der sich beglückenderweise vollständig erholt hat. Wir dürfen nicht vergessen, was für ein unfassbar furchtbares Ereignis dies war, und ich möchte auch sagen, wie leid es mir um all die Menschen tut, die bei Demonstrationen zu Tode gekommen sind, vor allem in Vorderindien. Wie sich herausgestellt hat, wussten sie oft noch nicht einmal, warum oder gegen wen sie demonstrierten, eine entsetzliche und grauenvolle Verschwendung ihres Lebens, und ebenso leid tut es mir um alles andere, was geschehen ist.
Wir sind hier, um das Ende einer terroristischen Bedrohung durch die Regierung eines Landes gegen die Bürger anderer Länder anzuerkennen, und dies ist ein großer Moment, den wir als solchen wahrnehmen sollten. Der Grund, weshalb wir in der Lage waren, für diese Sache zu kämpfen, weshalb so viele Menschen auf der ganzen Welt Verteidigungskomitees gebildet haben, der Grund, weshalb dieses Thema nicht an Aktualität verloren hat, ist nicht, dass das Leben eines Menschen in Gefahr war – die Welt ist voll von Menschen, deren Leben in Gefahr ist –; der Grund ist, dass hier für ein paar unglaublich wichtige Dinge gekämpft wurde: für die Kunst des Romans und, darüber hinaus, für die Freiheit der Fantasie und für das gewaltige, allumfassende Thema der freien Rede und für das Recht eines jeden, ohne Angst durch die Straßen seines Landes
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