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Joseph Anton

Joseph Anton

Titel: Joseph Anton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Rushdie
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mindestens bis Weihnachten brauchen, um dem Iran auf den Zahn zu fühlen, und das heiße nicht, dass das Ergebnis positiv ausfallen müsse.
    Er brüllte Michael Axworthy an, der zitterte und ins Schwitzen geriet. Man habe ihn angelogen, schrie er, schamlos angelogen, und das Auswärtige Amt sei voller Betrüger und heuchlerischer Mistkerle. Axworthy ging hinaus, um zu telefonieren, und teilte ihm dann mit bewundernswerter Selbstbeherrschung mit, Robin Cook werde ihn am kommenden Tag um Punkt elf Uhr vierzig anrufen.
    Es folgte ein Treffen bei Scotland Yard, bei dem die Polizei sehr viel Verständnis für seine Empörung zeigte. Richard Bones, der Special-Branch-Beamte, der beim Treffen mit den Geheimdiensten still im Hintergrund gesessen hatte, sagte: »Man hat Sie schrecklich behandelt. Ihre Kritik trifft den Nagel auf den Kopf. Sollte es jemals nötig sein, werde ich für Sie aussagen.« Die Polizei kam zu dem Schluss, seinen Personenschutz unverändert aufrechtzuerhalten, bis die Situation geklärt sei. Und während er sich allmählich beruhigte, ging ihm auf, dass sich die Aufregung im Iran nach dem ersten Schock über die Vereinbarung womöglich legen würde. Bisher hatten die Obermullahs die Abmachung nicht verurteilt. Vielleicht musste er dem Ganzen nur ein wenig Zeit geben und wäre zu Weihnachten ein freier Mann.
    Am nächsten Vormittag rief Robin Cook an, um ihm zu versichern, dass die Regierung alles tue, um das Problem zu lösen. »Die Sicherheitsanalyse, die man Ihnen gegeben hat, ist enttäuschend«, sagte er. »Ich habe den MI 6 um eine Einschätzung bis Ende der Woche gebeten.« Cook stimmte mit ihm überein, dass es zu Weihnachten ein positives Ergebnis geben könne und müsse: Bis dahin waren es noch drei Monate.
    Es sollten mehr als drei Jahre vergehen, ehe Mr Morning und Mr Afternoon zu einer positiven Ansicht gelangten.
    *
    Das negative Echo auf die Erklärung von Cook und Kharrazi wurde immer lauter. Die Hälfte der iranischen Majlis hatte einen Antrag auf die Ausführung der Fatwa unterschrieben. Eine geheimnisvolle neue Gruppierung ›radikaler Studenten‹ bot ein neues Kopfgeld von 190 000 Pfund für seinen Tod. (Diese Meldung stellte sich als falsch heraus, in Wirklichkeit handelte es sich um 19 000 Pfund.) Kopfgeld-Saneis Khordad-Stiftung erhöhte die Summe auf 300 000 Dollar. Der iranische chargé d’affaires Ansari wurde ins Auswärtige Amt zitiert, um den britischen Protest entgegenzunehmen, und beschuldigte die Berichterstattung der britischen Presse und die Aussagen der britischen Minister und Rushdies, welche »das Außenministerium in Teheran stark unter Druck gesetzt haben – dass die Neuigkeit so hohe Wellen schlagen würde, hatte man nicht erwartet«. Dennoch bekräftigte er, der Iran werde zu der New Yorker Vereinbarung stehen. Was auch immer das heißen sollte.
    Clarissa machte sich Sorgen. Zwei ›muslimsisch aussehende Männer‹ seien zu ihr gekommen und hätten namentlich nach Zafar gefragt, der aber natürlich in Exeter war. Sie glaubte, es habe vielleicht etwas damit zu tun, dass er jetzt im Wählerverzeichnis gelistet sei.
    Der British-Airways-Manager Alun Evans, den man zu seinem Kontaktmann ernannt hatte und der ›ganz auf seiner Seite‹ war, rief an, um zu sagen, die BA stehe ›vor einer Veränderung‹, und sobald ein paar ›Nebensächlichkeiten‹ geklärt worden seien, könne man mit einer positiven Entscheidung rechnen: »In ein paar Wochen.« Und er sollte recht behalten. Nachdem es ihm neuneinhalb Jahre lang verboten gewesen war, mit der nationalen Fluglinie zu reisen, wurde er wenige Wochen später wieder an Bord willkommen geheißen.
    Das Theaterstück von Harun und das Meer der Geschichten hatte Premiere und erwies sich als außergewöhnliche Inszenierung, in der mit geringsten Mitteln eine stimmige magische Atmosphäre erschaffen wurde; das Meer bestand aus wehenden Seidentüchern, die Schauspieler vollführten während ihres Spiels wie nebenbei kleine Zaubertricks, und im entscheidenden Augenblick, als Harun die Quelle aller Geschichten entdeckt, wandert ein Lichtstrahl über die Gesichter der Zuschauer und enthüllt das Publikum selbst als die begehrte Quelle. Und wie schon bei der Signierstunde in Hampstead, um die Commander Howley so viel Aufhebens gemacht hatte, gab es keinerlei Demonstrationen oder Sicherheitsprobleme. Es war einfach nur ein guter Theaterabend.
    Er hatte Bono eine Kopie von Der Boden unter ihren Füßen ge schickt, um seine

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