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Joseph Anton

Joseph Anton

Titel: Joseph Anton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Rushdie
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laufen. Random House und der Special Branch setzten alles daran, den Standard zu beschwichtigen, und schließlich wurde die Story nicht gedruckt. Und im Telegraph erschien ein unvoreingenommener, fundierter, durch und durch vernünftiger Artikel. Das Riskio schrumpfte. Dennoch stellte Random House Sprengstoffscanner in ihrer Poststelle auf und warnte seine Angestellten. Der gesamte Vorstand fürchtete immer noch, die Presse könnte eine heftige islamistische Reaktion heraufbeschwören. Die Bereitschaft, die Vintage-Ausgabe zu drucken und herauszubringen, war ihnen hoch anzurechnen. »Das Falscheste, was wir jetzt tun könnten, ist, den Schwanz einzuziehen und die Sache auf die lange Bank zu schieben«, sagte Simon Master. »Wenn das Wochenende gut läuft, gehen wir in Druck.« Die russischen Verleger von Die satanischen Verse erhielten Drohungen von lokalen Muslimen. Das war beunruhigend. Doch in England passierte nichts; endlich wurde die Taschenbuchausgabe von Die satanischen Verse von Vintage Books übernommen, und die Dinge gingen wieder ihren normalen Gang. Das Konsortium wurde aufgelöst.
    *
    Es geschahen noch weitere kleine, gute Dinge. Vier Jahre nachdem ihre Vorgesetzten das Angebot, ihm eine Kolumne zu geben, vereitelt hatten, kam Gloria B. Anderson von der Syndikatsabteilung der New York Times wieder auf ihn zu und sagte, diesmal seien alle sehr daran interessiert, dass er für die Zeitung schreibe. Wozu sollte man noch weiteren Groll hegen? Dies war die New York Times , die ihm monatlich ein weltweites Forum bot. Und damit ließen sich womöglich Flüster-Frank und Beryl, die Putzfrau, und vielleicht auch das Kindermädchen bezahlen.
    Seine Nichte Mishka, ein blasses, streichholzdürres sechsjähriges Mädchen, zeigte ihrer weitestgehend unmusikalischen Familie zum Trotz erstaunliche musikalische Fähigkeiten. Inzwischen rissen sich die Purcell School und die Menuhin School um sie. Sameen entschied sich für die Purcell, denn Mishka war nicht nur ein musikalisches Talent, sondern auch schulisch viel weiter als ihre Altersgenossen, und die Purcell bot ihren Schülern eine gute Allgemeinbildung, wohingegen die Menuhin ein musikalisches Gewächshaus war. Mishkas erstaunliche Frühreife hatte ihren Preis. Für ihre Altersgenossen war sie zu klug, und für die, die ihr geistig ebenbürtig waren, war sie zu klein. Es würde eine einsame Kindheit werden. Doch an der Purcell und an der Menuhin hatte sie alle schwer beeindruckt, und sie wusste trotz ihres zarten Alters, dass sie ihr Leben der Musik widmen wollte. Eines Tages, als die Eltern im Auto über das Für und Wider der beiden Schulen redeten, piepste Mishka vom Rücksitz: »Solltet ihr mich das nicht entscheiden lassen?«
    Die Purcell School bescheinigte Sameen, Mishka sei außergewöhnlich talentiert, und es wäre ihnen eine Ehre, sie aufnehmen zu dürfen. Sie könne jedoch erst im September anfangen, denn für jüngere Schüler sei die Schule nicht versichert und Mishka würde das jüngste Kind sein, das je eine Vollzeitförderung an dieser Schule erhalten hatte. Große Aufregung! Ein strahlender neuer Stern stieg am Familienhimmel empor, den sie würden schützen und leiten müssen, bis er alt genug war, allein zu strahlen.
    Er erhielt den Budapest Grand Prize für Literatur und reiste zur Verleihung. Der Bürgermeister von Budapest, Gábor Demszky, der in der Sowjetzeit ein führender Verleger von Samisdat-Texten gewesen war, öffnete die Vitrine seines Büros und zeigte die wertvollen, einstmals illegalen Bücher, die nun Inbild seines größten Stolzes waren. Sie waren auf einer transportablen Druckerpresse aus Huddersfield gedruckt worden, die man nachts heimlich von Wohnung zu Wohnung geschleppt hatte, damit sie nicht in die falschen Hände geriet. Eine Maschine, die so wichtig war, dass sie als Deckwort einen Frauennamen trug. »Im Kampf gegen den Kommunismus hatte Huddersfield eine bedeutende Rolle«, sagte Demszky. Dann bestiegen sie das bürgermeisterliche Motorboot und sausten die Donau rauf und runter. Der große Preis selbst war eine Überraschung: eine kleine, gravierte Metallschachtel, die mit druckfrischen Dollarscheinen gefüllt war. Äußerst brauchbar.
    Zafar machte einen Italienischkurs in Florenz und war sehr glücklich. Es gab neue Mädchen in seinem Leben, eine Opernsängerin, mit der er Schluss machte, weil »sie mich plötzlich an meine Mutter erinnerte«, und eine große, ein wenig ältere Blondine. Evie war zu seiner besten

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