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Joseph Anton

Joseph Anton

Titel: Joseph Anton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Rushdie
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Meinung zu hören und sicherzugehen, dass in puncto Musikindustrie keine groben Schnitzer im Text blieben, und etwas völlig Unerwartetes geschah. Bono rief an, um zu sagen, er habe Songtexte aus Der Boden unter ihren Füßen genommen und ›ein paar Melodien‹ dazu geschrieben. »Eine davon ist sehr schön. Die vom Titelstück des Buches. Das ist mit das Schönste, was wir je gemacht haben«, sagte Bono. Er musste grinsen. Er habe gar nicht gewusst, dass Bücher Titelstücke hätten, aber ja, er wisse, welchen Song Bono meine. All my life I worshipped her, / Her golden voice, her beauty’s beat . Bono bat ihn, nach Dublin zu kommen, damit er es ihm vorspielen könne. Dies war ein Roman über die durchlässige Grenze zwischen imaginären und wirklichen Welten, und nun überschritt eines seiner imaginären Lieder diese Grenze und wurde zu einem echten Song. Wenige Wochen später fuhr er nach Irland, und bei Paul McGuinness in Annamoe im County Wicklow ließ Bono ihn in seinem Auto Platz nehmen und spielte ihm die Demo- CD vor. Das Soundsystem in Bonos Wagen hatte nichts mit den Musikanlagen zu tun, die normale Menschen im Auto haben. Es war ein Mega-Soundsystem. Bono ließ das Stück dreimal laufen. Er mochte es sofort. Es hatte nichts mit dem zu tun, was er sich vorgestellt hatte, es war eine eindringliche Ballade, und mit eindringlichen Balladen kannte U2 sich aus. Er sagte, es gefalle ihm, doch Bono spielte es noch einmal, um sicherzugehen, dass er es ernst meinte, und als er endlich überzeugt war, sagte er: »Komm, wir gehen rein und spielen es allen vor.«
    Indien verkündete, es wolle das Einreiseverbot aufheben. Es war in den BBC -Sechs-Uhr-Nachrichten. Vijay Shankardass triumphierte. »Schon ganz bald wirst du dein Visum haben«, sagte er. Als er die Nachricht hörte, war seine Traurigkeit zunächst größer als seine Freude. »Ich hätte nie geglaubt, dass ich mich einmal nicht darauf freuen würde, nach Indien zu fahren. Doch genau so ist es jetzt. Mir graut fast davor. Trotzdem werde ich fahren. Ich werde fahren, um mein Recht, zu fahren, zurückzufordern. Ich muss es für meine Söhne tun, damit ich ihnen zeigen kann, was ich liebte und was auch ein Teil von ihnen ist«, schrieb er in sein Tagebuch. Es war die Regierung der hindu-nationalistischen BJP -Partei, die ihn einließ, und natürlich würde es heißen, die erteilte Einreiseerlaubnis sei ein antimuslimischer Akt, doch er weigerte sich, die vorgesehene Buhmann-Rolle zu übernehmen. Er war ein Mann, der sein Geburtsland trotz des langen Exils und des Verbots seines Buches noch immer liebte. Er war ein Schriftsteller, für den Indien der Urquell der Inspiration bedeutete, und würde ihm ein Fünf-Jahres-Visum angeboten werden, würde er es annehmen.
    Seine anfängliche Schwermut schwand. Bei einem Abendessen mit einer Gruppe von Schriftstellern, mit denen er an einer von Julian Barnes organisierten Wohltätigkeitslesung teilgenommen hatte, redete er glücklich und aufgeregt über seine Rückkehr nach Indien. Louis de Bernières machte es sich zur Aufgabe, seinem glücklichen, aufgeregten Kollegen ins Gewissen zu reden, er dürfe auf keinen Fall fahren, denn damit würde er die indischen Muslime abermals schwer beleidigen. Daraufhin hielt de Bernières dem Schriftsteller, der sich während seiner gesamten kreativen und intellektuellen Laufbahn mit diesem Thema befasst hatte und aller Wahrscheinlichkeit nach mehr darüber wusste als der Autor eines Romans, der die Geschichte des griechischen kommunistischen Widerstands gegen die italienischen Invasoren während des Zweiten Weltkrieges auf Kefalonia notorisch verzerrte, eine kurze Vorlesung zur Geschichte hindu-muslimischer Politik. Noch nie war er so kurz davor gewesen, einem anderen Romanautor eine zu scheuern. Helen Fielding, die ebenfalls mit dabei war, sah, wie ihm das Blut zu Kopf stieg, und sprang auf. »Nun, das war ein reizender Abend! Ganz reizend ! Aber jetzt muss ich los«, zwitscherte sie so unbeschwert wie möglich und rettete die Situation, denn so konnte er aufstehen und sich ebenfalls verabschieden und de Bernières blasierte Miene blieb unversehrt.
    *
    Er hatte ein privates Treffen mit Derek Fatchett, der meinte: Vertrauen Sie mir . Sämtliche Informationen aus dem Iran seien durchweg positiv. Alle Parteien hätten die Vereinbarung unterzeichnet, alle Hunde seien zurückgepfiffen worden. Sanei sei zwar eine tickende Zeitbombe, doch er verfüge sowieso nicht über das nötige Geld.

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