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Joseph Anton

Joseph Anton

Titel: Joseph Anton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Rushdie
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mehr darauf, von der britischen Regierung oder dem Iran grünes Licht zu bekommen, er sorgte selbst für seine Freiheit, genau hier auf den Gehsteigen von New York, und wenn er jetzt noch eine Wohnung fände, würde das wirklich sehr helfen.
    Es gab ein Apartment auf der Fünfundsechzigsten, Ecke Madison, schräg gegenüber vom Armani-Store. Die Decken waren nicht hoch, und richtig schön war es auch nicht, doch er konnte es sich leisten, und der Besitzer war bereit, es ihm zu verkaufen. Es war eine Ge nossenschaftswohnung, und deshalb musste der Genossenschafts vorstand zustimmen, doch der Verkäufer war der Vorstandsvorsitzende und versprach, dass es keinerlei Probleme geben werde, was bewies, dass selbst Vorstandsvorsitzende von Upper-Eastside-Genossenschaftsvorständen nicht immer wussten, was die Leute über sie dachten, denn als das Interview anstand, konnte die Wolke über dem Kopf des Bewerbers nicht die einzige Erklärung für die Feindseligkeit des Vorstandes sein. Er kam in ein Hochglanzapartment voller lackierter Ladies, die keine Miene verzogen, als wären sie Masken einer griechischen Tragödie, und er wurde aufgefordert, seine Schuhe auszuziehen, um den weißen Flauschteppich zu schonen. Das Interview, das folgte, war derart oberflächlich, dass dies nur zweierlei bedeuten konnte: Die maskierten Göttinnen hatten bereits beschlossen, Ja zu sagen, oder sie hatten bereits beschlossen, Nein zu sagen. Am Ende des Treffens sagte er, er würde sich über eine rasche Entscheidung freuen, woraufhin die größte der großen Damen vielsagend die Achseln zuckte und ihn durch die orestische Maske ihres Gesichtes wissen ließ, die Entscheidung würde fallen, wenn sie fiele, und hinzufügte: »New York ist eine ziemlich harte Stadt, Mr Rushdie, ich bin sicher, Sie wissen, warum.« »Nein«, hätte er am liebsten gesagt. »Nein, um ehrlich zu sein, weiß ich das nicht, Mrs Sophokles, könnten Sie es mir bitte erklären?« Doch er wusste, was sie eigentlich damit sagte. »Nein. Nur über meine ge BOTOX te, fettabgesaugte, rippenentfernte, darmgespülte Leiche. Nicht in einer Million Jahren.«
    In den Jahren danach wünschte er sich manchmal, er hätte sich den Namen der Dame gemerkt, denn er schuldete ihr ein großes Dankeschön. Hätte der Vorstand ihn angenommen, hätte er eine Wohnung kaufen müssen, die er nicht wirklich mochte. Er fiel durch und fand am selben Nachmittag sein neues Zuhause. Manchmal war es schwer, nicht an Schicksal zu glauben.
    Der U2-Song – ›sein‹ Song – wurde im Radio gespielt, und die DJ s schienen ihn zu mögen. »Im Film muss ich die Rolle der Vina Apsara kriegen. Ich bin die perfekte Besetzung. Ist doch klar«, sagte Padma zu ihm. How she made me feel, how she made me real . »Aber du bist keine Sängerin«, gab er zurück, und sie wurde wütend. »Ich nehme Gesangsstunden. Mein Lehrer meint, ich hätte großes Potential.« Die Filmrechte des Romans waren gerade von dem piratenhaft verwegenen portugiesischen Filmproduzenten Paulo Branco gekauft worden, und Raúl Ruiz sollte Regie führen. Als er Branco traf, schlug er Padma für die weibliche Hauptrolle vor. »Aber sicher«, sagte Branco. »Das ist perfekt.« Damals konnte er Producer-Sprech noch nicht ins Englische übersetzen. Er wusste nicht, dass Branco eigentlich sagte: »Ganz sicher nicht.«
    In London aß er mit Lee Hall, der gefeierten, oscarnominierten Drehbuchautorin von Billy Elliot zu Mittag, die Der Boden unter ihren Füßen sehr mochte und gern das Drehbuch schreiben wollte. Als Ruiz sich von vornherein einem Treffen mit Hall verweigerte, ging es mit dem Projekt steil bergab. Ruiz engagierte einen argentinischen Drehbuchschreiber, Santiago Amigorena, einen spanischen Mutter sprachler, der das Drehbuch in Französisch verfassen sollte, woraufhin man es ins Englische übersetzen würde. Der erste Entwurf dieser Chimäre, dieses Stoßmichziehdichs von einem Drehbuch, war erwartungsgemäß niederschmetternd. »Das Leben ist ein Teppich«, sollte eine der Figuren sagen, »und nur in unseren Träumen können wir das ganze Muster sehen.« Das war noch eine der besseren Dialogzeilen. Er erhob bei Branco Einspruch und wurde gefragt, ob er bereit sei, das Drehbuch mit Amigorena zu überarbeiten. Er willigte ein und flog nach Paris zu einem Treffen mit Santiago, der ein netter Mensch und in seiner Sprache zweifellos ein hervorragender Autor war. Doch nach ihrem Gespräch schickte Amigorena ihm einen zweiten Entwurf, der genauso

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