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Joseph Anton

Joseph Anton

Titel: Joseph Anton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Rushdie
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kryptisch war wie der erste. Er holte tief Luft und sagte Branco, er würde gern selbst einen Entwurf schreiben. Als er ihm sein Drehbuch schickte, wurde ihm mitgeteilt, Raúl Ruiz habe sich geweigert, es zu lesen. »Er will es noch nicht mal lesen? Wieso?« Er rief Branco an. »Sie müssen verstehen, wir bewegen uns hier im Universum des Raúl Ruiz«, sagte Branco. »Oh«, entgegnete er, »ich dachte, wir bewegen uns im Universum meines Romans.« Innerhalb weniger Tage war das Projekt unwiederbringlich gescheitert, und Padmas Traum, Vina Apsara zu spielen, fand ein jähes Ende.
    *
    »New York ist eine harte Stadt, Mr Rushdie.« Eines Morgens wachte er auf und erblickte auf der Titelseite der Post ein ganzseitiges Foto von Padma. Daneben, unter einem kleinen Bild von ihm selbst, stand in fünf Zentimeter großen Buchstaben: ZUM STERBEN SCHÖN .
    Und am nächsten Tag brachte dasselbe Blatt eine Karikatur, in der sein Gesicht durch das Fadenkreuz eines Scharfschützengewehrs zu sehen war. Die Bildunterschrift lautete: PADMA , SEI NICHT DUMM , IN NEW YORK KRIEGEN DIESE IRREN IRANER MICH NIE . Und wieder ein paar Wochen später erschien abermals in der Post ein Foto von ihnen beiden auf einer Straße in Manhattan, und die Überschrift lautete: DAFÜR LOHNT ES SICH ZU STERBEN . Die Story erschien überall, und in London behauptete ein Zeitungsredakteur, sein Büro würde von Briefen ›überschwemmt‹, in denen gefordert wurde, Rushdies Einkünfte sollten beschlagnahmt werden, weil er Großbritannien durch sein ungeniertes Leben in New York ›verlachte‹.
    Jetzt hatte sie Angst. Ihr Bild war weltweit in allen Zeitungen aufgetaucht, und sie fühlte sich schutzlos, sagte sie. In Andrew Wylies Büro traf er sich mit Beamten der geheimdienstlichen Abteilung des NYPD , die überraschend gelassen reagierten. Eigentlich habe die Post ihm einen Gefallen erwiesen, sagte sie. Sie hatte seine Ankunft in der Stadt so laut herausposaunt, dass man es sofort mitbekommen hätte, wenn irgendeiner der von ihnen beschatteten ›bösen Jungs‹ hellhörig geworden wäre. Doch es habe keine Zwischenfälle gegeben. Alles sei ruhig. »Wir glauben nicht, dass noch irgendjemand an Ihnen interessiert ist«, sagten sie. »Wir haben also keine Probleme mit Ihren Plänen.«
    Besagte Pläne bestanden unter anderem darin, sich möglichst in der Öffentlichkeit zu zeigen. Es würde kein ›Versteckspiel‹ mehr geben. Er würde im Balthazar, im Da Silvano und im Nobu essen gehen, Kinovorstellungen und Buchpräsentationen besuchen und das Nachtleben in angesagten Clubs wie dem Moomba genießen, wo Padma gut bekannt war. Aus manchen Ecken würde ihm Spott entgegenschlagen, weil er sich in eine Art Partymonster verwandelte, doch in seinen Augen war dies die einzige Möglichkeit den Leuten zu zeigen, dass sie keine Angst zu haben brauchten, dass jetzt alles anders würde, das es in Ordnung war. Nur, wenn er öffentlich, sichtbar und angstfrei lebte und darüber berichtet wurde, würde er die Furcht, die ihn umgab, zerstreuen, die inzwischen ein größeres Hindernis zu sein schien als jede noch bestehende Bedrohung aus dem Iran. Und trotz ihrer Launenhaftigkeit und ihres kindischen Modelgehabes und ihrer häufigen Kälte ihm gegenüber rechnete er es Padma hoch an, dass sie seine Lebenseinstellung teilte und bereit war, ihm dabei zur Seite zu stehen, auch wenn ihr Großvater K. C. Krishnamurti – ›K. C. K.‹ – in Besant Nagar, Madras, der Presse Interviews gab und sagte, er sei ›entsetzt‹, dass dieser Rushdie in das Leben seiner Enkelin getreten sei.
    (Im Laufe ihrer gemeinsamen Jahre besuchte er Padmas Verwandte in Madras mehrmals. K. C. K. gab seinen Widerstand schnell auf, weil er, wie er sagte, seiner geliebten Enkeltochter nichts abschlagen könne, was sie glücklich mache. Für ›diesen Rushdie‹ hingegen war Padmas Familie das Beste an ihr, das Indische, an das er so sehr glauben wollte. Besonders mit der erheblich jüngeren Schwester ihrer Mutter, die für Padma eher wie eine große Schwester denn wie eine Tante war, verstand er sich sehr gut und hatte fast das Gefühl, selbst eine neue Schwester gefunden zu haben. Wenn Padma mit ihrer fröhlichen, bodenständigen Familie in Madras zusammen war, wurde sie ein anderer Mensch, natürlicher, weniger affektiert, und die Kombination madrasischer Schlichtheit und ihrer umwerfenden Schönheit war einfach unwiderstehlich. Manchmal dachte er, könnten sie zusammen ein Familienleben aufbauen, in

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