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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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begab. Denn durch sein Eingeständnis, daß Rahel ihm lieb sei, gab er sich aufs neue ebensosehr in Labans Hände, wie dieser in den seinen war, und schwächte das Druckmittel seiner Weggangsdrohung. Was aber den Vater ärgerte, war, daß Jaakob von Rahel sprach, nur von ihr, und Lea ganz überging. Er antwortete:
    »Rahel soll ich dir geben?«
    »Ja, sie. Selbst möchte sie es auch.«
    »Nicht Lea, mein größeres Kind?«
    »Nein, diese ist mir nicht ganz so lieb.«
    »Sie ist die ältere und die nächste, zu freien.«
    »Allerdings, sie ist etwas älter. Sie ist auch stattlich und stolz trotz kleiner Mängel ihres Äußeren oder gerade ihretwegen, und wäre wohl tüchtig, mir Kinder zu gebären, wie ich sie wünsche. Aber es ist nun so, daß ich mein Herz gehängt habe an Rahel, dein kleiner Kind, denn sie scheint mir wie Hathor und Eset, sie leuchtet förmlich für mich in weiblichem Lichte, der Ischtar gleich, und ihre lieben Augen gehen mir nach, wo ich wandle. Siehe, es war eine Stunde, da waren meine Lippen naß von Tränen, die sie für mich geweint. Darum gib sie mir, und ich will dir fronen.«
    »Es ist selbstverständlich besser, ich gebe sie dir, als daß ich sie einem Fremden gäbe«, sagte Laban. »Aber soll ich etwa Lea, mein älter Kind, einem Fremden geben, oder soll sie vielleicht verdorren ohne Mann? Nimm zuerst Lea, nimm beide!«
    »Du bist sehr gütig«, sagte Jaakob, »aber so unbegreiflich es klingen mag, Lea entfacht meine männlichen Wünsche gar nicht, sondern im Gegenteil, und einzig um Rahel ist es deinem Knechte zu tun.«
    Da sah Laban ihn eine Weile an mit seinem lahm zugezogenen Auge und sprach dann barsch:
    »Wie du willst. Also besiegle mir, daß du willst sieben Jahre bei mir bleiben und mir dienen um diesen Lohn.«
    »Sieben mal sieben!« rief Jaakob. »Ein Halljahr Gottes! Wann soll die Hochzeit sein?«
    »Nach sieben Jahren«, antwortete Laban.
    Man stelle sich Jaakobs Schrecken vor!
    »Wie«, sagte er, »ich soll dir dienen um Rahel sieben Jahre, ehe du sie mir gibst?«
    »Wie denn sonst?« erwiderte Laban und tat erstaunt aufs äußerste. »Daß ich ein Narr wäre in der Welt und gäbe sie dir gleich, damit du auf und davon gingest mit ihr, wann es dir beliebte, und ich hätte das Nachsehen. Oder wo ist der Kaufpreis und Mahlschatz nebst angemessenen Geschenken, die du mir überliefern willst, daß ich sie der Braut an den Gürtel binde, und die mir bleiben nach der Schrift des Gesetzgebers, wenn du vom Verlöbnis zurücktrittst? Hast du sie bei dir, die Mine Silbers und was es sonst sei, oder wo etwa hast du sie? Du bist ja arm wie die Maus auf dem Felde und ärmer noch. Darum werde es verbrieft und besiegelt vor dem Richter, daß ich dir die Dirne verkaufe um sieben Jahre, die du mir dienen sollst, und wird dir nachgezahlt am Ende der Lohn. Und soll beigesetzt werden die Tafel im Hausheiligtum unter Tag und anbefohlen sein dem Schutze der Teraphim.«
    »Einen harten Oheim«, sprach Jaakob, »hat Gott mir beschert!«
    »Redensarten!« gab Laban zur Antwort. »Ich bin so hart, wie die Sachlage mir erlaubt zu sein, und wenn sie’s fordert, so bin ich weich. Du aber willst die Dirne zum Weib, – so zieh ohne sie, oder diene erst!«
    »Ich diene«, sprach Jaakob.
    Von langer Wartezeit
    Also hatte die erste, kurze und vorläufige Epoche von Jaakobs großem Aufenthalt bei Laban sich abgezeichnet, das Vorspiel, das nur einen Monat umfaßte und an dessen Ende der neue, befristete und zwar langbefristete Rechtsvertrag stand. Es war ein Ehevertrag und dann auch wieder ein Dienstvertrag, eine Mischung aus beidem, wie sie dem Maschkimbeamten oder Richter vom Stuhl wohl noch nicht häufig, aber ähnlich wohl doch das ein oder andere Mal schon mochte vorgekommen sein und die er jedenfalls als rechtsfähig und, kraft des Willens beider Parteien, als rechtsgültig anerkannte. Das Schriftstück, doppelt ausgefertigt, wurde, um den Fall recht klarzustellen, gesprächsmäßig abgefaßt; Jaakobs und Labans Rede und Gegenrede wurde unmittelbar aufgeführt und so das Zustandekommen ihrer gütlichen Abmachung sinnfällig gemacht. Dieser Mann hatte zu dem und dem Manne gesagt: Gib mir deine Tochter zum Weibe, worauf der und der Mann gefragt hatte: Was gibst du mir für sie? Da hatte jener Mann nichts gehabt. Darauf hatte obbesagter Mann gesprochen: Da es dir am Mahlschatz gebricht sowie sogar an jedem Vermögen zur Anzahlung darauf, die ich der Braut könnte an den Gürtel hängen zum Verlöbnis,

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