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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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sollst du mir dienen für sie so viele Jahre, wie die Woche Tage hat. Das soll der Kaufpreis sein, den du mir zahlst, und soll die Braut dein sein zum Beilager nach Ablauf der Frist nebst einer Mine Silbers und einer Magd, die ich der Dirne geben will als Mitgift, und zwar so, daß zwei Drittel der Mine Silbers eingerechnet sein sollen in den Wert der Sklavin und nur noch ein Drittel Mine gezahlt werden soll in bar oder in Gaben des Feldes. Da sprach jener: So soll es sein. Im Namen des Königs, so sei es. Je ein Schriftstück haben sie genommen. Wer sich gegen den Vertrag erhöbe, indem er sich ungesetzlich benähme, dem sollte nichts Gutes daraus erwachsen.
    Die Abmachung hatte Hand und Fuß, der Richter durfte sie billig finden, und unter dem rein wirtschaftlichen Gesichtspunkt hatte auch Jaakob sich nicht zu beklagen. Schuldete er dem Ohm eine Mine Silbers zu sechzig Sekel, so reichten sieben Jahre Fron nicht einmal aus, diese Verbindlichkeit zu decken; denn der Durchschnittslohn für einen Mietssklaven belief sich im Jahr nur auf sechs Sekel, und derjenige für sieben Jahre kam also der Schuld Jaakobs nicht gleich. Freilich empfand er tief, wie sehr doch der wirtschaftliche Aspekt hier täusche und daß, wenn es eine gerechte Waage, eine Gotteswaage gegeben hätte, die Schale, in der sieben Lebensjahre lagen, die andere mit der Mine Silbers hoch hätte emporschnellen lassen. Schließlich aber waren es Jahre, die er in Rahels Nähe verbringen sollte, und das breitete große Liebesfreude über das Opfer, wozu noch kam, daß vom ersten Tage an der Vertragserfüllung Rahel ihm rechtlich verlobt und verbunden sein würde, so daß kein anderer Mann sich ihr würde nähern dürfen, ohne sich ebenso schuldig zu machen, als verleitete er eine Ehefrau. Ach, sie würden aufeinander warten müssen sieben Jahre lang, die Geschwisterkinder; eine ganz andere Altersstufe als ihre gegenwärtige würden sie beschritten haben, ehe sie Söhne miteinander würden zeugen dürfen, und das war eine bittere Zumutung, welche entweder von Labans Grausamkeit oder seinem Mangel an Einbildungskraft zeugte, kurz, ihn aufs neue und krasseste als Mann ohne Herz und Sympathie kennzeichnete. Ein zweites Ärgernis war der ungemeine Geiz und der Hang zur Übervorteilung des Nächsten, welche aus der die Mitgift betreffenden Aufstellung des Vertrages sprachen, – diese nach sieben Jahren fällige väterliche Morgengabe, die für den armen Jaakob ein grundschlechtes Geschäft bedeutete, zumal schamloserweise dabei eine Magd unbekannter Beschaffenheit geldlich doppelt so hoch bewertet war, wie irgend jemand ein mittleres Stück Sklave hier oder im Westlande sonst bewertete. Aber weder an dieser noch jener Anstößigkeit war etwas zu ändern. Die Zeit besserer Geschäfte, so empfand Jaakob, würde schon noch kommen, – er spürte in seiner Seele die Verheißung guter Geschäfte und eine geheime Kraft dazu, die sicherlich diejenige übertraf, welche in die Brust dieses Unterweltsteufels von Schwiegervater gelegt war: Labans, des Aramäers, dessen Augen lieblich geworden waren in Rahel, seinem Kinde. Und was die sieben Jahre betraf, so waren sie eben in Angriff zu nehmen und abzuleben. Leichter wäre es gewesen, sie zu verschlafen; aber nicht nur, weil das nicht möglich war, ließ Jaakob den Wunsch nicht aufkommen, sondern weil er fand, es sei immerhin besser, sie tätig zu überwachen.
    Das tat er, und das sollte auch der Erzähler tun und nicht wähnen, er könne mit dem Sätzchen »Sieben Jahre vergingen« die Zeit verschlafen und überspringen. Es ist wohl Erzählerart, leichthin so auszusagen, und doch sollte keinem der Zauberspruch, wenn er denn schon gesprochen werden muß, anders als schwer von Sinn und zögernd vor Lebensehrfurcht von den Lippen gehen, so daß er auch dem Lauschenden schwer und sinnig wird und er sich wundert, wie sie doch vergehen mochten, die unabsehbaren oder doch nur mit dem Verstande, nicht aber mit der Seele absehbaren sieben Jahre – und zwar als wären’s einzelne Tage gewesen. Dies nämlich ist überliefert, daß dem Jaakob die sieben Jahre, vor denen er sich anfangs gefürchtet hatte bis zum Verzagen, wie Tage vergangen seien, und diese Überlieferung ist selbstverständlich zuletzt auf seine eigene Aussage zurückzuführen – sie ist, wie man zu sagen pflegt, authentisch und übrigens vollkommen einleuchtend. Nicht um irgendwelche Siebenschläferei handelte es sich dabei und überhaupt um keinen anderen Zauber

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