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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Göttern und Leuten, daß werden die fremden Knechte belohnt, nicht aber der Neffe. Darum sage, was du verlangst. Denn ich will dir geben, was ich den anderen gebe, und noch etwas mehr, wenn du besiegelst, so viel Jahre bei mir zu bleiben, als die Woche Tage hat und wie man zählt, bis der Acker brachliegen bleibt und die Scholle ruht, daß der Mensch weder säet noch erntet. Also sollst du mir sieben Jahre dienen um den Lohn, den du forderst.«
    Dies Labans Rede und Gedankengang, eine rechtliche Rede als Kleid rechtlicher Gedanken. Aber schon die Gedanken – und nicht erst die Rede – des Erdenmenschen sind nur ein Kleid und eine Beschönigung seiner Strebungen und Interessen, die er in rechtliche Form bringt, indem er denkt, so daß er meist lügt, bevor er spricht, und seine Worte so redlich kommen, weil nicht sie erst gelogen sind, sondern bereits die Gedanken. Laban war lebhaft erschrocken, als es schien, daß Jaakob fortwollte, denn seit die Quelle sprang, wußte er, daß Jaakob wirklich ein Segensträger war und ein Mann der gesegneten Hand, und alles war ihm daran gelegen, ihn an sich zu fesseln, damit auch fernerhin seine Geschäfte Nutzen zögen aus dem Segen, den jener trug, wohin er kam. Der Wasserfund war ein gewaltiger Segen, so folgenreich, daß es nur seiner Folgen erste, aber die größte nicht war, wenn Laban dadurch seiner schweren Abgabe an Ischullanu’s Söhne ledig geworden war. Denn diese hatten wohl Finten vorgeschützt und erklärt, ohne das Wasser ihres Kanals hätte der Mann sein Feld überhaupt nicht anbauen können, darum, ob er jenes noch brauche oder nicht, sei er gehalten, ihnen das Öl, das Korn und die Wolle zu entrichten ewiglich. Aber der Richter vom Stuhl hatte die Götter gefürchtet und für Laban entschieden, was dieser ebenfalls für eine Einwirkung von Jaakobs Gott zu halten geneigt war. Nun war vieles unterwegs und im Gange, vieles in Angriff genommen, zu dessen Vollendung und Gedeihen Jaakobs segensreiche Gegenwart vonnöten erschien. Das wirtschaftliche Machtverhältnis zwischen den beiden hatte sich zugunsten des Neffen verschoben: Laban glaubte seiner zu bedürfen, und Jaakob, der dies wohl wußte, besaß in der Möglichkeit, mit seinem Weggang zu drohen, ein Druckmittel, dem Labans Erdensinn sofort Rechnung zu tragen bereit war. Darum hatte sich dieser, schon vorbeugend, schon bevor Jaakob Miene machte, sein Druckmittel spielen zu lassen, in seiner Seele beeilt, die Bedingungen, unter denen Rebekka’s Sohn für ihn arbeitete, unwürdig zu finden, und war ihm mit rechtlichen Vorschlägen wegen ihrer Verbesserung ins Wort gefallen. Jaakob, der in Wirklichkeit nicht daran denken konnte, schon jetzt nach Hause zurückzukehren, da niemand besser wußte als er, daß die Umstände noch keineswegs reif dafür waren, freute sich dessen, daß der Ohm sich über die Machtlage täuschte, und fühlte sich ihm herzlich verbunden für sein Entgegenkommen, obgleich er einsah, daß dieses weder der Rechtlichkeit noch der Liebe zu ihm persönlich, sondern allein dem Interesse entsprang. Verbunden also fühlte er sich ihm eigentlich für das Interesse, das jenen an ihn, den Gesegneten, band; denn so ist der Mensch, daß die Freundlichkeit, in die solches Interesse sich kleidet, unwillkürlich von ihm auf den anderen als Liebe zurückstrahlt. Außerdem liebte Jaakob den Laban um dessentwillen, was dieser zu vergeben hatte und was er von ihm zu fordern gedachte; denn das war größer als Sila und Sekel. Er sprach:
    »Mein Vater und Bruder, wenn du willst, daß ich bleibe und kehre noch nicht zurück zu Esau, dem Versöhnten, und diene dir, so gib mir Rahel, dein Kind, zum Weibe, sie sei mein Lohn. Denn sie gleicht, was die Schönheit betrifft, ganz einer jungen Kuh, und auch mich sieht sie ihrerseits freundlich an, und wir sind im Gespräch übereingekommen, daß wir Kinder mitsammen zeugen möchten nach unserem Bilde. Darum, so gib sie mir, und ich bin der Deine.«
    Laban war keineswegs überrascht. Der Freiungsgedanke, wir sagten das schon, war mit dem Eintreffen des Vetters und Neffen von vornherein nahe verbunden gewesen und nur vermöge der Mißlage Jaakobs in Labans Denken zurückgetreten. Daß Jaakob ihn jetzt, da die Machtverhältnisse eine Änderung zu seinen Gunsten erfahren hatten, zur Sprache brachte, war begreiflich, und dazu war es erfreulich für Laban, den Erdenkloß, der auf der Stelle erkannte, daß jener sich damit seines Vorteils über ihn recht weitgehend wieder

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