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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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fruchtbar machen diese Frau.‹ Das ist noch so lange hin nach dem Willen des Vaters, der mich dir verkauft hat, daß ich gar nicht mehr sein werde, die ich bin, bis dahin, und wer weiß, ob nicht vorher ein Dämon mich berührt, so daß ich erkranke und sogar die Zungenwurzel davon betroffen wird und menschliche Hilfe vergebens ist? Wenn ich mich aber auch erhole von der Berührung, so geschieht es vielleicht unter Verlust all meines Haares, und die Haut ist mir verdorben, gelb und mit Malen besät, so daß mein Freund mich nicht mehr kennt? Davor fürchte ich mich unsäglich und kann nicht schlafen und werfe die Decke von mir und irre durch Haus und Hof, wenn die Eltern schlummern, und gräme mich wegen der Zeit, daß sie vergeht und nicht vergeht, denn ich fühle so deutlich, daß ich dir fruchtbar sein würde, und bis ich neunzehn bin, könnten wir schon sechs Söhne haben oder auch acht, denn wahrscheinlich würde ich dir zuweilen Zwillinge bringen, und ich weine, weil es so lange anstehen muß.«
    Dann nahm Jaakob ihren Kopf zwischen seine Hände und küßte sie unterhalb beider Augen – Labans Augen, die in ihr schön geworden –, küßte ihr da die Tränen fort, so daß seine Lippen naß davon waren, und sprach:
    »Ach, meine Kleine, Gute, Kluge, du ungeduldiges Mutterschäfchen, sei nur getrost! Siehe, diese Tränen nehme ich mit mir hinaus ins Feld und in die Einsamkeit als Unterpfand und Gewähr, daß du mein bist und mir vertraut und in Geduld und Ungeduld meiner harrest, wie ich deiner. Denn ich liebe dich, und die Nacht deiner Augen ist mir lieb über alles, und die Wärme deines Hauptes, wenn du’s an meines lehnst, rührt mich bis ins Innerste. Dein Haar gleicht nach seiner Seidigkeit und Dunkelheit dem Fell der Ziegenherden an den Hängen Gileads, deine Zähne sind wie das Licht so weiß, und aufs lebhafteste erinnern deine Wangen mich an die Zartheit des Pfirsichs. Dein Mund ist wie die jungen Feigen, wenn sie sich am Baume röten, und wenn ich ihn im Kuß verschließe, so hat der Hauch, der aus deinen Nasenlöchern kommt, den Duft von Äpfeln. Du bist überaus hübsch und schön, aber du wirst es noch mehr sein, wenn du neunzehn bist, das glaube du mir, und deine Brüste werden sein wie Trauben der Datteln und wie des Weinstocks Trauben. Denn du bist rein von Geblüt, mein Liebling, und es wird keine Krankheit dich anfechten und kein Dämon dich berühren; der Herr, mein Gott, der mich zu dir geführt und dich mir aufgespart hat, wird es verhüten. Was aber mich betrifft, so ist meine Liebe und Zärtlichkeit für dich unbeugsamer Art und ist eine Flamme, die nicht auslöschen werden die Regen noch so vieler Jahre. Ich denke an dich, wenn ich im Schatten des Felsens oder Gebüsches liege oder an meinem Stabe stehe; wenn ich streife und suche nach dem verlaufenen Schaf, wenn ich das kranke pflege oder trage das müde Lamm; wenn ich mich dem Löwen entgegenstelle oder Wasser schöpfe der Herde. Bei all dem denke ich deiner und töte die Zeit. Denn sie vergeht unaufhörlich bei allem, was ich tue und treibe, und Gott gestattet ihr nicht, auch nur einen Augenblick stille zu stehen, ob ich nun ruhe oder mich rühre. Du und ich, wir warten nicht ins Leere und Ungewisse, sondern wir kennen unsere Stunde, und unsere Stunde kennt uns, und sie kommt auf uns zu. In gewisser Beziehung aber ist es vielleicht nicht schlecht, daß noch einiger Spielraum ist zwischen ihr und uns, denn wenn sie gekommen ist, so wollen wir fortziehen von hier in das Land, wohin Urvater zog, und es wird gut sein, wenn ich bis dahin noch etwas schwerer werde durch gute Geschäfte, damit die Verheißung meines Gottes sich erfülle, er wolle mich reich heimführen in Jizchaks Haus. Denn deine Augen sind mir wie Ischtars, der Göttin der Umarmung, die zu Gilgamesch sprach: ›Deine Ziegen sollen zweifach, deine Schafe Zwillinge werfen.‹ Ja, wenn auch wir einander noch nicht umarmen dürfen und fruchtbar sein, so ist es doch unterdessen das Vieh und hat beim Werfen Gelingen um unserer Liebe willen, so daß ich Geschäfte mache für Laban und mich und schwer werde vor dem Herrn, bevor wir dahinziehen.«
    So tröstete er sie und traf mit Feinsinn das Rechte mit dem, was er von den Schafen und ihrer gleichsam stellvertretenden Fruchtbarkeit sagte; denn es war wirklich, als ob die Landesgöttin der Umarmung, im Menschlichen gefesselt durch Labans finstere Härte, sich Luft mache und schadlos halte an der Kreatur, nämlich an der von

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