Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
obgleich sie ihm doch nach Ablauf der Festwoche, da Jaakob am fünften Tage von Lea hervorgegangen war und sich beim geselligen Vogelfang etwas erfrischt hatte, ebenfalls beigetan worden war, wovon wir nicht weiter erzählen. Denn es ist schon erzählt, wie Jaakob Rahel empfing; nach Labans, des Teufels, Veranstaltung empfing er sie erstmals in Lea, und war in der Tat eine Doppelhochzeit, die er da hielt, – das Beilager mit zwei Schwestern: die eine war’s wirklich, aber die andere der Meinung nach, und was heißt da wirklich? In diesem Betracht war Re’uben allerdings Rahels Sohn, mit ihr erzeugt. Und doch ging sie leer aus, die so bereit und eifrig war, und Lea ward stark und rund und fügte zufrieden die Hände darüber zusammen, das Haupt in Demut zur Seite geneigt und die Lider gesenkt, daß man ihr Schielen nicht sähe.
Sie kam nieder auf den Ziegelsteinen mit größter Begabung, es war die Sache von ein paar Stunden, das reine Vergnügen. Re’uben schoß gleich daher wie ein Wasser; als Jaakob, eilig benachrichtigt, vom Felde kam (denn es war die Zeit der Sesamernte), war das Neugeborene schon gebadet, mit Salz abgerieben und eingewickelt. Er legte die Hand darauf und sprach in Gegenwart aller Hofleute das Wort: »Mein Sohn.« Laban drückte ihm seine Achtung aus. Er ermunterte ihn, sich ebenso rüstig zu halten wie er selbst, und sich drei Jahre hintereinander einen Namen zu machen, worauf die Wöchnerin in ihrem Frohmut vom Lager herüberrief: Zwölf Jahre lang, ohne Pause, wolle sie fruchtbar sein. Rahel hörte es.
Sie war nicht von der Wiege zu bringen, die, eine Schaukel, an Stricken von der Decke hing, so daß Lea sie vom Bette regieren konnte mit ihrer Hand. Zur anderen Seite saß Rahel und betrachtete das Kind. Wenn es schrie, hob sie es auf und gab es der Schwester an die schwellende, von Milchadern durchzogene Brust, sah unersättlich zu, wie jene es nährte, daß es rot ward und gedunsen vor Sattigkeit, und preßte im Schauen die Hände auf die eigene zarte Brust.
»Arme Kleine«, sagte Lea dann wohl zu ihr. »Gräme dich nicht, auch du kommst an die Reihe. Und es sind deine Aussichten ganz unvergleichlich besser als die meinen, denn du bist’s, auf der die Augen ruhen unseres Herrn, und auf einmal, daß er bei mir wohnt, kommen wohl vier Nächte oder sechs, daß er sich zu dir tut, wie soll dir’s fehlen?«
Aber ob auch die Aussichten für Rahel waren, es war Lea, nach Gottes Willen, an der sie sich erfüllten, denn kaum, daß sie vom Ersten genesen, war sie schon wieder fruchtbar, und während sie auf dem Rücken den Ruben trug, trug sie in ihrem Leibe den Schimeon, und war ihr kaum übel, da er zu wachsen begann, und fand nichts zu seufzen, da er sie hoch verunstaltete, sondern rüstig und wohlgemut war sie bis zum äußersten und arbeitete in Labans Fruchtgarten bis zur Stunde, da sie mit etwas veränderter Miene befahl, die Ziegelsteine zu richten. Da trat Schimeon auf mit Leichtigkeit und nieste. Alle bewunderten ihn; am meisten Rahel, und wie weh tat es ihr, ihn zu bewundern! Es war noch etwas anderes mit diesem als mit dem ersten; denn wissentlich und unbetrogen hatte Jaakob ihn mit Lea erzeugt, und war der Ihre ganz und unzweifelhaft.
Und Rahel, was war es mit dieser Kleinen? Wie hatte sie doch dem Vetter so ernst und lustig entgegengeschaut in lieblicher Tapferkeit und Lebensbereitschaft; wie zuversichtlich gewünscht und gefühlt, daß sie ihm Kinder bringen werde nach ihrer beider Bilde, zuweilen auch Zwillinge! Nun ging sie leer aus, da Lea schon das Zweite wiegte, – wie mochte das sein?
Der Buchstabe der Überlieferung ist der einzige Anhalt, der sich uns bietet, wenn es gilt, diese wehmütige Lebenserscheinung zu erklären. Er lautet in Kürze dahin: weil Lea unwert gewesen sei vor Jaakob, habe Gott sie fruchtbar gemacht und Rahel unfruchtbar. Ebendarum. Das ist ein Erklärungsversuch wie ein anderer; er trägt Vermutungscharakter, nicht denjenigen der Ermächtigung, denn eine unmittelbare und maßgebliche Äußerung El Schaddais über den Sinn seiner Verfügung, sei es gegen Jaakob oder einen anderen Beteiligten, liegt nicht vor und ist zweifellos nicht ergangen. Dennoch käme es uns nur zu, jene Deutung zu verwerfen und eine andere dafür einzusetzen, wenn wir eine bessere wüßten, was nicht der Fall ist; vielmehr halten wir die gegebene im Kern für richtig.
Der Kern ist, daß Gottes Maßregel sich nicht, oder nicht zuerst, gegen Rahel richtete, auch nicht um
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