Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
solltest froh sein, wenn nicht andere die Rede darauf bringen und rechten mit dir, anstatt daß du laut davon schwätzest und richtest es neuerdings an in der Welt, daß ein Mann sich schämen muß für den anderen, weil’s dieser nicht tun mag. Ich will nichts wissen von unversehenem Zuwachs und dergleichen Ärgernis. Ich will kein Silber von dir als Mahlschatz und keine wem immer gehörige Ware als Brautgeschenk, sondern dienen sollst du mir auch für das zweite Kind, so lange als für das erste.«
»Wolfsmann!« rief Jaakob und bezähmte sich kaum. »So willst du mir Rahel erst geben nach anderen sieben Jahren?!«
»Wer sagt das?« erwiderte Laban von oben herab. »Wer hat hier etwas Ähnliches auch nur angedeutet? Du allein redest Ungereimtes und vergleichst mich ganz voreilig mit einem Werwolf, denn ich bin Vater und will nicht, daß mein Kind nach dem Manne schmachtet, bis er betagt ist. Gehe du jetzt an deinen Ort und halte dich ehrenhaft da die Woche hin. Dann soll dir in aller Stille beigetan sein auch die zweite, und als ihr Ehegemahl dienst du mir um sie andere sieben Jahre.«
Jaakob schwieg und senkte das Haupt.
»Du schweigst«, sprach Laban, »und gewinnst es nicht über dich, mir zu Füßen zu fallen. Ich bin wahrlich neugierig, ob es mir noch gelingen wird, dein Herz zur Dankbarkeit zu erweichen. Daß ich hier im Hemde stehe ums Frührot, aufgestört aus notwendigem Schlummer, und Geschäfte mit dir ordne, reicht offenbar nicht hin, ein solches Gefühl in dir zu erzeugen. Ich habe noch nicht erwähnt, daß du mit dem anderen Kinde auch die zweite der Dirnen bekommst, die ich kaufte. Denn die Silpa schenke ich der Lea zur Mitgift und der Rahel die Bilha, und will es auch im zweiten Falle so halten, daß zwei Drittel der Mine Silbers, die ich euch geben will, sollen eingerechnet sein. So hast du vier Weiber über Nacht und hast ein Frauenhaus wie der König von Babel und wie Elams König, da du eben noch dürr und allein auf dem Hage saßest.«
Jaakob schwieg immer noch.
»Harter Mann«, sagte er endlich mit einem Seufzer. »Du weißt nicht, was du mir angetan, du weißt und bedenkst es nicht, ich muß mich wohl davon überzeugen, und bildest es dir nicht ein in deinem ehernen Sinn! Ich habe meine Seele und all mein Bestes vergeudet an die Unrechte diese Nacht, das preßt mir das Herz zusammen der Rechten wegen, der’s zugedacht war, und soll Lea’s pflegen noch die Woche hin, und wenn mein Fleisch müde ist, denn ich bin nur ein Mensch, und es ist satt und meine Seele allzu schläfrig zum Hochgefühl, so soll ich die Rechte haben, Rahel, mein Kleinod. Du aber denkst, somit ist’s gut. Aber es kann nie gutgemacht werden, was du an mir und an Rahel getan, deinem Kinde, und zuletzt auch an Lea, die sitzt auf dem Bette und weint, weil ich nicht sie im Sinne gehabt.«
»Soll das heißen«, frug Laban, »daß du nach der Hochzeitswoche mit Lea nicht mehr Manns genug sein wirst, fruchtbar zu machen die zweite?«
»Nicht doch, da sei Gott davor«, antwortete Jaakob.
»Das übrige sind Grillen«, beschloß Laban, »und ist überfeines Gefasel. Bist du zufrieden mit unserm neuen Vertrage, und soll’s also gelten, oder nicht, zwischen mir und dir?«
»Ja, Mann, es soll gelten«, sprach Jaakob und ging wieder zu Lea.
Von Gottes Eifersucht
Dies sind die Geschichten Jaakobs, eingeschrieben in seine Greisenmiene, wie sie an seinen verschwimmenden, sich in den Brauen verfangenden Augen vorüberzogen, wenn er in feierliches Sinnen verfiel, sei es allein oder vor den Leuten, die unweigerlich eine heilige Scheu ankam vor solchem Ausdruck, so daß sie sich anstießen und zueinander sprachen: »Still, Jaakob besinnt seine Geschichten!« Manche davon haben wir schon ausgebreitet und endgültig richtiggestellt, sogar solche schon, die weit voranliegen, auch Jaakobs Rückreise ins Westland und nach seiner Ankunft daselbst; aber siebzehn Jahre bleiben hier auszufüllen mit ihren reichen Geschichten und Wechselfällen, an deren Spitze Jaakobs Doppelhochzeit mit Lea und Rahel und das Erscheinen des Ruben standen.
Re’uben aber war Lea’s und nicht Rahels; jene gebar dem Jaakob den Ersten, der seine Erstgeburt später verscherzte, da er wie ein dahinschießendes Wasser war, und nicht empfing ihn und trug ihn Rahel, nicht schenkte ihn dem Jaakob die Braut seines Gefühls, noch war sie’s, nach Gottes Willen, die ihm den Schimeon brachte, den Levi und Dan und Jehuda und irgendeinen von zehnen bis Sebulun,
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