Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
einem Worte: um Leidenschaft. Nenne man das einen Wüstenrest, so bleibt doch wahr, daß gerade erst in der Leidenschaft das tosende Wort vom »lebendigen Gott« sich recht erfüllt und bewährt. Nachdem man gesehen, wird man sagen, daß Joseph, so sehr sonst seine Fehler ihm schadeten, für diese Lebendigkeit Gottes sogar mehr Sinn besaß und gewandter Rücksicht darauf zu nehmen wußte als sein Erzeuger. –
Von Rahels Verwirrung
Die kleine Rahel nun verstand von alldem nicht das mindeste. Sie hing an Jaakobs Halse und weinte: »Schaffe mir Kinder, wo nicht, so sterbe ich!« Er antwortete: »Liebe Taube, was soll das? Deine Ungeduld stimmt deinen Mann etwas ungeduldig, und ich hätte nicht gedacht, daß sich je dergleichen Gefühl wider dich erheben würde in meinem Herzen. Es hat wirklich keine Vernunft, daß du mir anhängst mit Bitten und Tränen. Bin ich doch nicht Gott, der dir deines Leibes Frucht nicht geben will.«
Er schob es auf Gott und deutete damit an, daß er es nicht fehlen lasse und daß ihn erwiesenermaßen auch sonst keine Schuld treffe; denn er war fruchtbar in Lea. Der Jüngeren aufgeben, sich an Gott zu halten, kam aber der Feststellung gleich, daß es an ihr liege, und eben darin äußerte sich seine Ungeduld wie auch in dem Beben seiner Stimme. Natürlich war er gereizt, denn es war töricht von Rahel, ihn um etwas zu beschwören, was er selbst sich so sehnlich wünschte, ohne ihr seinerseits enttäuschter Hoffnung wegen Vorwürfe zu machen. Dennoch war der Armen vieles zugute zu halten in ihrem Kummer, denn blieb sie fruchtlos, so war sie übel daran. Sie war die Freundlichkeit selbst, aber daß sie die Schwester nicht hätte beneiden sollen, ging über Weibesnatur, und Neid ist eine Gefühlsverschmelzung, in der außer der Bewunderung leider noch anderes vorkommt, so daß die Rückwirkung von drüben auch nicht die beste sein kann. Das mußte das geschwisterliche Verhältnis untergraben und fing schon an, es zu tun. Die Stellung der mütterlichen Lea überwog diejenige der unergiebigen Mitfrau, die immer noch wie ein Mägdlein umherging, so sehr in den Augen aller Welt, daß jene fast eine Heuchlerin hätte sein müssen, um jedes Anzeichen von dem Bewußtsein ihrer vorwaltenden Würde aus ihrem Verhalten zu verbannen. Der Redensart nach, einfältig wie sie sein mochte, war die mit Kindern gesegnete Frau die »Geliebte«, die dürre aber kurzweg die »Gehaßte«, – ein greulicher Sprachgebrauch in Rahels Ohren, greulich, weil ganz und gar unzutreffend auf ihren Fall, und nichts als menschlich wäre es denn also, daß ihr die Wahrheit in stummem Zustande nicht Genüge tat, sondern daß sie sie aussprechen mußte. So war es leider: Bleich und mit blitzenden Augen berief sie sich auf Jaakobs nie verhohlene Vorliebe für sie und seine öfteren Besuche zur Nacht, – ein wunder Punkt dies nun wieder bei Lea, auf dessen Berührung es nur eine zuckende Antwort gab: Was es jener denn nütze? Und um die Freundschaft war es getan.
Beklommen stand Jaakob in der Mitte.
Auch Laban sah finster. Es war ihm wohl recht, daß das Kind, das Jaakob hatte verschmähen wollen, nun so in Ehren stand; doch war es ihm auch wieder leid um Rahel, und außerdem begann er für seinen Säckel zu fürchten. Der Gesetzgeber hatte aufschreiben lassen, wenn eine Frau kinderlos hingehe, müsse der Schwiegervater ihren Kaufpreis zurückzahlen, denn solche Ehe sei nur ein Fehlschlag gewesen. Laban durfte hoffen, daß Jaakob das nicht wisse, aber dieser konnte es jeden Tag erfahren, und eines Tages, wenn keine Hoffnung mehr blieb für Rahel, mochte es dahin kommen, daß Laban oder seine Söhne den Jaakob für sieben Dienstjahre in bar würden entschädigen müssen, – das lag dem Manne im Magen.
Darum, als Lea auch im dritten Ehejahr schwanger ward – es war der Knabe Levi, der sich da ankündigte –, nichts aber auf Rahels Seite sich regte, so war es Laban zuallererst, der darauf hinwies, daß hier Abhilfe zu schaffen sei, und der forderte, daß man Maßregeln treffe, indem er Bilha’s Namen ins Gespräch warf und verlangte, daß Jaakob sich ihr beitue, damit sie gebäre auf Rahels Schoß. Es wäre ein Irrtum, zu glauben, Rahel selbst hätte diesen übrigens naheliegenden Gedanken aufgebracht oder vornehmlich vertreten. Die Empfindungen, die sie ihm entgegenbrachte, waren zu zwiespältig, als daß sie mehr hätte für ihn tun können, als ihn dulden. Aber wahr ist, daß sie mit Bilha, ihrer Magd, einem anmutigen
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