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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Lea’s willen getroffen wurde, sondern eine belehrende Züchtigung für Jaakob selbst bedeutete, welcher nämlich damit in dem Sinne verwiesen wurde, daß die wählerische und weiche Selbstherrlichkeit seines Gefühls, die Hoffart, mit der er es hegte und kundtat, nicht die Billigung Elohims besaß – und zwar obgleich diese Neigung zu Auserwählung und zügelloser Vorliebe, dieser Gefühlsstolz, der sich der Beurteilung entzog und von aller Welt andächtig hingenommen zu werden begehrte, sich auf ein höheres Vorbild berufen konnte und tatsächlich die irdische Nachahmung davon darstellte. Obgleich? Eben weil Jaakobs Gefühlsherrlichkeit eine Nachahmung war, wurde sie bestraft. Wer es hier unternimmt, zu reden, muß nach seinen Ausdrücken sehen; aber auch nach scheuer Prüfung des bevorstehenden Wortes bleibt kein Zweifel, daß der höchste Beweggrund für die hier erörterte Maßnahme die Eifersucht Gottes auf ein Vorrecht war, welches er durch ebendiese Maßnahme, durch die Demütigung von Jaakobs Gefühlsherrlichkeit, als Vorrecht zu kennzeichnen gedachte. Diese Deutung mag Tadel erfahren und wird kaum dem Einwand entgehen, ein so kleines und leidenschaftliches Motiv wie das der Eifersucht sei unverwendbar zur Erklärung göttlicher Anordnungen. Solcher Empfindlichkeit steht es jedoch frei, die ihr anstößige Regung als ein geistig unverzehrtes Überbleibsel aus früheren und wilderen Werdezuständen des Gotteswesens zu verstehen, – anfänglichen Zuständen, auf die an anderem Orte einiges Licht geworfen wurde und in denen die Gesichtsbildung Jahu’s, des Kriegs- und Wetterherrn einer braunen Schar von Wüstensöhnen, die sich seine Streiter nannten, weit mehr arge und ungeheuere Züge als solche der Heiligkeit aufgewiesen hatte.
    Der Bund Gottes mit dem in Abram, dem Wanderer, tätigen Menschengeist war ein Bund zum Endzwecke beiderseitiger Heiligung, ein Bund, in welchem menschliche und göttliche Bedürftigkeit sich derart verschränken, daß kaum zu sagen ist, von welcher Seite, der göttlichen oder der menschlichen, die erste Anregung zu solchem Zusammenwirken ausgegangen sei, ein Bund aber jedenfalls, in dessen Errichtung sich ausspricht, daß Gottes Heiligwerden und das des Menschen einen Doppelprozeß darstellen und auf das innigste aneinander »gebunden« sind. Wozu, so darf man fragen, wohl sonst ein Bund? Die Weisung Gottes an den Menschen: »Sei heilig, wie ich es bin!« hat die Heiligwerdung Gottes im Menschen bereits zur Voraussetzung; sie bedeutet eigentlich: »Laß mich heilig werden in dir, und sei es dann auch!« Mit anderen Worten: Die Läuterung Gottes aus trüber Tücke zur Heiligkeit schließt, rückwirkend, diejenige des Menschen ein, in welchem sie sich nach Gottes dringlichem Wunsche vollzieht. Diese innige Verknüpfung der Angelegenheiten aber und daß Gott seine wirkliche Würde nur mit Hilfe des Menschengeistes erlangt, dieser aber wieder nicht würdig wird ohne die Anschauung der Wirklichkeit Gottes und die Bezugnahme auf sie – ebendiese hoch-eheliche Verquickung und Wechselseitigkeit der Bezüge, geschlossen im Fleische, verbürgt durch den Ring der Beschneidung, macht es begreiflich, daß gerade die Eifersucht als Restbestand leidenschaftlicher Vor-Heiligkeit am allerlängsten in Gott zurückgeblieben ist, sei es als Eifer auf Abgötter oder etwa auf das Vorrecht der Gefühlsüppigkeit, – was aber im Grunde dasselbe ist.
    Denn was wäre das zügellose Gefühl des Menschen für den Menschen, wie Jaakob es sich für Rahel gönnte und dann, in womöglich verstärkter Übertragung, für ihren Erstgeborenen, anderes als Abgötterei? Was dem Jaakob durch Laban geschah, mag noch mit Recht, zum Teile wenigstens, als notwendiger Gerechtigkeitsausgleich in Hinsicht auf Esau’s Schicksal verstanden werden, als eine Aufrechnung zu Lasten dessen, dem zu gefallen die Störung des Gleichgewichtes erfolgt war. Bedenkt man aber andererseits Rahels dunkles Los, und erfährt man dann gar, was der junge Joseph auszustehen hatte, dem es nur durch äußerste Klugheit und anmutigste Geschicklichkeit in der Behandlung Gottes und der Menschen gelang, den Dingen die Wendung zum Guten zu geben, so bleibt kein Zweifel, daß es sich um Eifersucht reinsten Wassers und eigentlichsten Sinnes handelt, – nicht um die allgemeine und abgezogene auf ein Vorrecht, sondern um höchst persönliche Eifersucht auf die Gegenstände des abgöttischen Gefühls, in welchen es rächend getroffen wurde, – mit

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