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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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ihrer selbst willen da. Auch hatte sie es ausnehmend schwer mit den ihren; denn ihr Erwachen zur Weibschaft aus priesterlich-damenhaftem Schlaf der Sinne glich jenem ur- und vorbildlichen nicht des Königskindes, dessen Kindheitsfrieden durch den Anblick himmelsfürstlicher Majestät zur Qual und Lust verzehrender Liebe aufgerufen ward. Sie hatte nicht das allerdings verhängnisvolle Glück, sich so herrlich weit über ihrem Stande zu verlieben (wobei man am Ende die oberste Eifersucht und selbst die Verwandlung in eine Kuh mit in den Kauf nehmen mag), sondern das Unglück, es – nach ihren Begriffen – weit unter ihrem Stande zu tun und durch einen Sklaven und Niemandssohn, eine gekaufte Menschensache von asiatischem Hausdiener, die Leidenschaft zu erfahren. Das setzte ihrem Damenstolze bitterer zu, als die Geschichte je bisher zu berichten gewußt hat. Es hinderte sie lange, sich ihr Gefühl einzugestehen, und als sie so weit war, es zu tun, mischte es in das Glück, das die Liebe immer bereitet, ein Element der Erniedrigung, das aus Gründen unterster Grausamkeit das Verlangen so furchtbar zu stacheln vermag. Die Zweckgedanken, mit denen sie die Demütigung ins Richtige einzuordnen suchte, kreisten um die Erwägung, daß die Kedescha und Kultdirne sich auch nicht den Liebhaber aussuchen konnte, sondern daß jedem, der ihr den Gotteslohn in den Schoß warf, ihr Schoß gehörte. Aber wie unrichtig war es mit dieser Richtigkeit, und welche Gewalt fügte sie sich zu, indem sie eine so duldende Rolle als die ihre betrachtete! Denn der wählende, werbende, unternehmende Teil war ja sie, wenn sie auch ihre Liebeswahl nicht ganz selbständig, sondern gelenkt von Dûdu's Klagereden getroffen hatte, – war es sowohl nach ihren überlegenen Jahren als auch nach ihrer Stellung als Herrin, welche sich bei diesem Verhältnis selbstverständlich im Stande des Liebesangriffs und der Herausforderung befand, da es denn gerade noch gefehlt hätte, daß von dem Sklaven Wunsch und erster Wille hätten ausgehen und er von sich aus die Augen hätte zu ihr erheben sollen, so daß sie die Folgende, die Gehorchende und ihr Gefühl nur die demütige Antwort auf das seine gewesen wäre! So nie und nimmer! Durchaus wollte ihr Stolz in diesem Handel die sozusagen männliche Rolle für sie in Anspruch nehmen, – was doch im Tiefsten wieder nicht recht gelingen wollte. Denn wie man die Dinge mochte zu zwingen suchen, so war doch er immer, der junge Knecht, wissentlich-willkürlich oder nicht, kraft seiner selbst und seines Daseins der Erwecker ihrer Weibschaft aus versiegelndem Schlaf und hatte sich damit, wenn auch ohne Wissen und Willen, zum Herrn ihres Herrinnentums gemacht, so daß ihre Gedanken ihm dienten und ihre Hoffnungen an seinen Augen hingen, bangend, er möchte merken, daß sie ihm Weib zu sein wünschte, und zitternd zugleich, er möchte ihre uneingestehbaren Wünsche doch ja erwidern. Es war eine mit Süßigkeit schrecklich durchtränkte Demütigung alles in allem. Damit es aber weniger eine solche sei und auch weil der Liebestrieb, der von Wert und Würdigkeit in Wahrheit doch gar nicht bestimmt wird, immer auf Wertgerechtigkeit brennt und darauf, sich über die Würdigkeit seines Gegenstandes das Erdenklichste vorzumachen: so suchte sie den Knecht, dem sie Liebesherrin sein wollte, auch wieder aus seiner Knechtschaft zu erheben, führte bei sich seinen Anstand, seine Klugheit, seine Stellung im Hause gegen seine Niedrigkeit ins Feld und suchte sich, übrigens nach Anleitung Dûdu's, sogar mit der Religion zu helfen, indem sie sich zugunsten ihrer Neigung, »in Hangesfron«, wie der Spottwezir gesagt haben würde, gegen den volksstrengen Amun, ihren bisherigen Herrn, auf Atum-Rê von On, den milde-ausdehnungsfreundlichen und den Fremdländern holden, berief und auf diese Weise den Hof, die Königsmacht selbst hinter ihre Liebe brachte, was für ihr klüglerisches Gewissen noch den Vorzug hatte, daß sie sich damit ihrem Gatten, Pharao’s Freund, dem Hofmanne, geistlich näherte und ihn, den zu hintergehen sie immer brennender wünschte, in gewissem Sinn zum Parteigänger ihrer Lust gewann ...
    So rang und kämpfte Mut-em-enet in der Umstrickung ihrer Begierde gleichwie in den Leibesschlingen einer gottgesandten Schlange, die sie umwand und ihr den Atem abpreßte, so daß er keuchend ging. Bedenkt man, daß sie allein und ohne Beistand zu kämpfen hatte und sich außer dem Dûdu, mit dem es aber bei halben und

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