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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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sich, daß dieses Antlitz in der Verborgenheit vor Freude strahlte, weil sie den Erwecker auch weiterhin würde dürfen sehen müssen und ihn nicht würde müssen vergessen dürfen.
    Gerade ihr mußte daran alles gelegen sein, und besonders heftig war ihr Abscheu vor Trennung und notwendig daraus folgendem Vergessen, vor dem Absterben der Leidenschaft, weil Frauen ihrer Altersreife, deren Blut spät erwacht ist und ohne den außerordentlichen Anlaß vielleicht nie erwacht wäre, mit mehr als gewöhnlicher Inbrunst ihrem Gefühl, dem ersten und letzten, sich hingeben und lieber stürben als ihre frühere Ruhe, die sie nun Öde nennen, wieder gegen dies neue, in Leiden selige Leben einzutauschen. Es ist um so höher zu veranschlagen, daß die ernste Mut um der Vernunft willen ihr Äußerstes getan hatte, um bei dem trägen Gemahl die Beseitigung des Sehnsuchtsbildes durchzusetzen: Sie hätte ihm, wäre seiner Natur die Liebestat zu entreißen gewesen, ihr Gefühl zum Opfer gebracht. Aber ihn zu bewegen und zu erwecken war eben nicht möglich, da er ein ausgemachter Titeloberst war, und, um der Wahrheit das Letzte zu geben, so hatte Eni das insgeheim auch im voraus gewußt und in Rechnung gestellt, also daß ihr ehrliches Ringen mit dem Gemahl eigentlich eine Veranstaltung gewesen war, durch sein Versagen ihrer Leidenschaft und allem ihr eingeborenen Verhängnis Freiheit zu gewinnen.
    Für frei in der Tat durfte sie sich nach der ehelichen Begegnung in der Abendhalle erachten; und wenn sie so lange danach noch ihrem Verlangen Zügel anlegte, so war das viel mehr eine Sache des Stolzes als der Pflicht. Die Haltung etwa, in der sie am Tage der drei Unterredungen, um Untergang, dem Joseph im Garten, zu Füßen des Lusttempelchens, entgegentrat, war von vollendeter Hoheit und hätte von Schwäche und Zärtlichkeit nur für das allergeschärfteste Auge momentweise etwas durchschimmern lassen. – Dûdu nämlich hatte damals sein Heimlichkeitsplänchen sehr klüglich und tückisch ausgeführt, war von Joseph zurück zur Herrin spaziert und hatte sie benachrichtigt, daß der Neumeier, freudig bereit, ihr über die Hausgeschäfte Rechenschaft zu geben, großen Wert darauf lege, dies ungestört, unter vier Augen, zu tun, an welchem Ort und zu welcher Stunde immer es ihr gefallen werde. Außerdem habe derselbe die Absicht kundgetan, heute, zur Zeit der Abendröte, das Tempelhäuschen des Gartens aufzusuchen, um seine Inneneinrichtung und die Wandmalereien auf ihre Wohlerhaltenheit hin zu inspizieren. Dûdu hatte diese zweite Nachricht unabhängig von der ersten vorgebracht, nachdem er zwischendurch ganz andres gesagt und indem er es auf eine feine Art der Herrin überließ, das eine mit dem anderen zu verknüpfen. Aber all seine Ausgepichtheit hatte nicht gehindert, daß die Zettelung für diesmal nur halb gelang, da beide Teile es bei halben Schritten bewenden ließen: Joseph nämlich hatte zwischen den Fällen seiner freien Wahl etwas Mittleres ausfindig gemacht und gewählt, indem er, ohne das Lusthäuschen zu besuchen, nur zu dessen Füßen im Garten herumgegangen war, um, wie er auf jeden Fall einmal wieder hätte tun können, ja müssen, nachzusehen, ob mit den Bäumen und Blumenrabatten alles in schöner Ordnung sei; und Mut, die Herrin, war ebenfalls nicht gelaunt gewesen, sich die Aufschüttung hinaufzubewegen, hatte aber keinen Grund gesehen, sich durch irgendwelche Zwergennachrichten, die flüchtig ihr Ohr gestreift hatten, in der, wie sie sich bestimmt erinnerte, von früh an gehegten Absicht beirren zu lassen, heute um die Stunde des Scheidens sich kurze Zeit in Peteprê's Garten zu ergehen, um die schönen Feuer des Himmels sich im Ententeich spiegeln zu sehen, und zwar nach gewohnter Art in Begleitung zweier Jungfern, die ihr auf dem Fuße folgten.
    So waren damals Jungmeier und Herrin auf dem roten Sande des Wandelganges einander begegnet, und ihre Begegnung hatte sich abgespielt wie folgt.
    Joseph, der Frauen ansichtig geworden, zeigte ein heiliges Erschrecken, formte mit dem Munde ein ehrfürchtiges »Oh!« und fing an, mit erhobenen Händen, in Beugung und mit leicht federnden Knien rückwärts zu gehen. Mut ihrerseits bildete ein flüchtiges, leicht lächelndes, unbestimmt überraschtes und fragendes »Ah?« mit ihrem Schlängelmund, über welchem die Augen streng, ja finster blieben, ließ ihn, selbst noch weitergehend, ein paar seiner zeremoniellen Rückwärtsschritte machen und winkte ihm dann mit einer

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