Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
kleinen, zu Boden weisenden Handbewegung, stehenzubleiben. Auch sie machte halt, und hinter ihr taten es die dunkelhäutigen Ehrenmädchen, deren lang gepinselte Augen voll Freude standen, wie die eines jeden vom Hausgesinde, der Joseph erblickte, und aus deren schwarzem und wolligem, unten in Fransen gedrehtem Haar die großen Emaillescheiben ihres Ohrschmuckes blickten.
Ein Wiedersehen, das einem der beiden einander Gegenüberstehenden ernüchternde Enttäuschung hätte zufügen können, war es nicht. Das Licht fiel schräg, farbig und kleidsam, es tauchte die Gartenszene von Kiosk und Schilfteich in Tinten von satter Buntheit, leuchtete das Mennigrot des Weges feurig an, ließ die Blumen erglühen, das regsame Blattwerk der Bäume lieblich schimmern und gab den Augen der Menschen einen Spiegelschein ganz wie der Wasserfläche des Teichs, auf dem die in- und ausländischen Enten gleich himmlischen und nicht gleich natürlichen Enten waren und wie gemalt und lackiert. Himmlisch und wie gemalt, gereinigt von Notdurft und Unzulänglichkeit, nahmen sich in diesem Licht auch die Menschen aus, ihre ganzen Personen, nicht nur ihre schimmernden Augen; sie glichen Göttern und Grabfiguren, geschminkt und geschmeichelt von Lichtesgnaden, und mochten ihre Freude haben der eine am Anblick des anderen, wie sie mit Spiegelaugen aus schön getönten Gesichtern aufeinander blickten.
Mut war beseligt, denjenigen, von dem sie wußte, daß sie ihn liebte, so vollkommen zu sehen; denn die Verliebtheit ist nach Rechtfertigung immer begierig, von zuckender Empfindlichkeit für jeden Nachteil, den das Bild des Geliebten erfährt, triumphierend dankbar für jede Begünstigung der Illusion; und ist ihr seine Herrlichkeit, über der sie um ihrer Ehre willen wacht, auch ein großer Schmerz, weil sie allen gehört, allen augenscheinlich ist und die Nebenbuhlerschaft der ganzen Welt immerfort zu höchster Unruhe befürchten läßt, – so ist solcher Schmerz ihr doch über alles teuer, und sie drückt den schneidenden fest ans Herz, auf nichts weniger bedacht, als daß seine Schärfe durch eine Verdunkelung und Beeinträchtigung des Bildes gestumpft werden möchte. Auch durfte Eni von Josephs Verschönung mit großer Freude auf ihre eigene schließen und hoffen, daß auch sie ihm herrlich erscheine, mochte es sich damit bei nüchtern-senkrechterem Licht auch nicht mehr ganz wie in erster Jugend verhalten. Wußte sie nicht, daß der lange und offene Mantel aus weißer Wolle, den sie (denn es ging gegen den Winter) mit einer Agraffe über dem breiten Halsschmuck geschlossen um die Schultern trug, ihre Erscheinung majestätisch erhöhte und daß ihre Brüste jugendstarr gegen den Batist des eng geschnittenen, über den Füßen mit rotem Glasfluß gesäumten Kleides drängten? Sieh es, Osarsiph! Es lief in Spangenbändern über die Schultern, dies Kleid, und wie sehr war sie sich bewußt, daß es nicht nur ihre gepflegten und gleichsam gemeißelten Arme ganz freiließ, sondern auch die Hochgestalt ihrer wunderbaren Beine vollkommen zu unterscheiden gestattete! War das nicht Grund genug, in der Liebe den Kopf hoch zu tragen? Sie tat es. Sie tat vor Stolz, als falle es ihr schwer, die Lider zu heben, und als müsse sie also das Haupt zurücklegen, um unter ihnen hervorzusehen. Sie wußte mit Bangen, daß ihr Gesicht, eingerahmt dieses Mal von einem goldbraunen Haartuch mit breiter und steinbunter, nicht ganz um den Kopf greifender Stirnspange, nicht mehr das jüngste und dazu mit seinen Schattenwangen, der Sattelnase, dem winkeltiefen Munde sehr einmalig-willkürlich war. Allein der Gedanke, wie kostbar in der Elfenbeinblässe dieses Gesichtes die gemalten Geschmeideaugen sich ausnehmen mußten, ließ sie mit Bestimmtheit hoffen, daß es der Wirkung der Arme, Beine und Brüste nicht geradezu im Wege sein werde.
Ihrer Schönheit mit Stolz und Bangen eingedenk, blickte sie auf die seine – auf die des Rahelssohnes in ihrer ägyptischen Zustutzung, die übrigens bei aller Hochgesittung von gartenmäßiger Bequemlichkeit war. Denn zwar war sein Kopf sehr sorgfältig hergerichtet, und besonders adrett wirkte es, wie neben seinem kleinen Ohr unter dem seidig schwarzgerippten Kopftuch, welches zum Zeichen, daß es eine Haartour vorstellte, unten in Lockenwerk überging, ein Eckchen der weißen Leinenkappe hervorschaute, die er reinlicherweise darunter trug. Aber außer der Perücke und einer Emaillegarnitur von Halskragen und Armringen nebst jener
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