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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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flachen Brustkette aus Rohr und Gold mit dem Skarabäus daran trug er nur einen allerdings höchst elegant geschnittenen, knielangen Doppelschurz um die schmalen Hüften, gegen dessen Blütenweiße die durch das schräge Licht ins Bronzene vertiefte Hautfarbe seines geschmückten Oberkörpers sehr anmutig abstach: dieses so durchaus richtig gebildeten, zart-kräftigen Jünglingskörpers, welcher, luftkühl und farbig angeleuchtet, nicht der Fleischeswelt, sondern der reineren Welt von Ptachs ausgeführten Gedanken anzugehören schien, – geistbetont durch das klug blickende Haupt, dem er zugehörte und mit dem er die für ihn selbst wie für jede Anschauung beglückende Einheit von Schönheit und Weisheit verwirklichte.
    Aus dem stolz-bangenden Gefühl ihrer selbst sah Potiphars Weib zu ihm hinüber, in seine dunklen und, im Vergleich mit den ihren, großen Züge, in die freundliche Nacht von Rahels Augen, deren Blickkraft im Sohne durch Verstandesnachdruck männlich erhöht war; sie sah zugleich den goldenen Erzschimmer seiner Schultern, den schlanken Arm, in dessen Hand er den Wandelstab hielt und durch dessen Biegung der Muskel mäßig-menschlich hervortrat, – und eine mütterlich bewundernde Zärtlichkeit, innigst gerührt, zur verzweifelten Begeisterung angefacht von Weibesnot, ließ sie aufschluchzen aus ihrer tiefsten Tiefe, so überrumpelnd und heftig, daß ihr die Brust unterm spannenden Feingewebe sichtbarlich bebte und nur die Hoffnung blieb, ihre herrinnenhafte Haltung möge dies Schluchzen so unwahrscheinlich gemacht haben, daß er es trotz aller Sichtlichkeit nicht hatte für wahr nehmen können.
    Unter diesen Umständen sollte sie reden, und sie tat es mit einer Überwindung, die sie beschämte, weil so viel Heldenmut dazu gehörte.
    »Sehr zur Unzeit, wie ich sehen muß«, sagte sie mit kühler Stimme, »gehen müßige Frauen auf diesem Wege dahin, da sie dabei die amtlichen Schritte hemmen dessen, der über dem Hause ist.«
    »Über dem Hause«, antwortete er sofort, »bist nur du, Gebieterin, denn du stehst darüber als Morgen- und Abendstern, den sie Ischtar nannten in meiner Mutter Land. Der ist wohl müßig auch, wie das Göttliche eben, in dessen Ruheschein wir Rackernden aufblicken zu unserer Labung.«
    Sie dankte mit einer Handbewegung und einem Lächeln nachsichtigen Einverständnisses. Sie war entzückt und beleidigt zugleich von der verwöhnten Art, in der er beim Kompliment sogleich von seiner hier völlig unbekannten Mutter gesprochen, und dazu nagend eifersüchtig auf diese Mutter, die ihn geboren, gehegt, seine Schritte gelenkt, ihn bei Namen gerufen, ihm das Haar aus der Stirn gestrichen und ihn geküßt hatte in reiner Liebesbefugnis.
    »Wir treten beiseite«, sagte sie, »ich und die Dienerinnen, die mich, wie immer, so auch heute begleiten, daß wir den Vorsteher nicht aufhalten, der sich ohne Zweifel vor Dunkelheit überzeugen will, ob Peteprê’s Gartenland in genauem Stande sei, und will vielleicht gar auch das Häuschen der Aufschüttung besichtigen.«
    »Garten und Gartentempel«, erwiderte Joseph, »gehen mich wenig an, solange ich vor meiner Herrin stehe.«
    »Mir scheint, sie sollten dich jederzeit angehen und sich deiner Fürsorge erfreuen vor aller Wirtschaft«, versetzte sie (und wie erschreckend süß und abenteuerlich war ihr schon dies allein, daß sie zu ihm sprach, ›mir‹ und ›dich‹ sagte, ›du‹ und ›ich‹ – über die zwei Schritte Raumes hinweg, die ihre Körper voneinander trennten, den Beziehung, Vereinigung schaffenden Hauch der anredenden Sprache aussandte); »denn es ist ja bekannt, daß sie der Ursprung sind deines Glückes. Ich hörte sagen, im Häuschen habest du erstmals Dienst tun dürfen als Stummer Diener, und im Baumgarten sei Peteprê's Auge auf dich gefallen zuerst, als du Blüten reiten ließest.«
    »So war es«, lachte er, und sein Lachen schnitt ihr ins Herz wie ein Leichtsinn. – »Ganz wie du sagst, so war es, gnädige Frau! Ich tat Windesamt bei Peteprê's Palmen nach des Salbaders Weisung, den sie nennen, ich weiß nicht wie oder mag es nicht wiederholen vor dir, denn es ist ein lächerlich volkstümlicher Name und nichts für dein Herrinnenohr ...« Sie sah den Scherzenden an, ohne zu lächeln. Daß er offenbar nicht ahnte, wie wenig ihr nach Scherz zumute war und warum so wenig, war gut und notwendig über alles, doch auch sehr schmerzhaft. Mochte er ihren scherzabwehrenden Ernst als Rest ihrer Gegnerschaft deuten gegen

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