Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
viel mehr Durrakorn bauen sollten anstatt der Gerste, als wie bis jetzt: ich meine die Mohrenhirse, das Negerkorn, ich meine das weiße; denn braune Durra haben wir schon reichlich gebaut zum Viehfutter, und sie sättigt die Rosse und schlägt an den Rindern, aber die Frage der Neuerung ist, ob wir uns nicht in erhöhtem Maß auf die weiße verlegen sollten und große Flächen damit bestellen zur Menschenbeköstigung, daß das Hofvolk sich von der guten Brotfrucht nähre, statt mit Gersten- und Linsenbrei, und sich dienlich erkräftige. Denn überaus mehlreich ist der Kern ihrer Spelzen, und das Fett der Erde ist bei ihrer Frucht, so daß die Arbeiter weniger davon brauchen denn von Gerste und Linsen und wir sie sättigen schneller und besser. Wie das mir im Kopfe herumgeht, kann ich nicht sagen, und da ich dich kommen sah, Herrin, im Abendgarten mit deiner Begleitung, dachte ich in meiner Seele und sprach zu mir wie zu einem anderen: ›Siehe, du bist allein in deiner Unreife mit den Sorgen des Hauses und hast niemanden, mit dem du sie teilen könntest, denn der Herr nimmt sich keines Dinges an. Dort aber schreitet die Herrin heran in ihrer Schönheit, gefolgt von zwei Zofen, wie ihr Rang es gebeut. Vertraue doch ihr dich an und besprich dich mit ihr von wegen der Neuerung und in Sachen der Durrahirse, so wirst du ihre Meinung erforschen, und beistehen wird ihr schöner Rat deiner Jugend!‹«
Eni errötete teils vor Freude, teils vor Verlegenheit, denn sie wußte gar nichts vom Negerkorn und war ohne Rat, ob man gut täte, mehr davon anzubauen. Sie sagte in einiger Verwirrung:
»Die Frage ist der Erörterung wert, das liegt auf der Hand. Ich will sie besinnen. Ist denn der Boden der Insel der Neuerung günstig?«
»Wie gewiegt meine Frau sich erkundigt«, erwiderte Joseph, »und wie sie sogleich den hüpfenden Punkt zu berühren weiß bei jeglicher Sache! Der Boden ist gründig genug, und dennoch muß man sein Herz befestigen gegen anfänglichen Fehlschlag. Denn die Feldleute wissen die weiße noch nicht recht zu bauen zur Menschennahrung, sondern nur die braune, bei der’s bloß um Futtergewinnung geht. Was glaubt meine Herrin wohl, was es kostet, bis man das Volk so weit hat, daß es den Boden so fein bestellt mit der Hacke, wie es die weiße Durra erheischt, oder bis es begriffen hat, daß sie kein Unkraut erträgt wie die braune. Kümmert es sich um die Wurzelschößlinge nicht, so geht’s übel aus, und es gibt Futter, doch keine Nahrung.«
»Es mag wohl schwer sein mit dem vernunftlosen Volk«, sagte sie und wurde rot und blaß vor Unruhe, weil sie von den Dingen nichts wußte und in höchster Verlegenheit war um eine sachliche Antwort, da sie doch gewollt hatte, daß er mit ihr die Wirtschaft berede. Das Gewissen schlug ihr in tiefer Scham vor dem Diener, und äußerst erniedrigt kam sie sich vor, weil er ihr von rechten und ehrlichen Dingen sprach wie der Erstellung von Menschennahrung, sie aber dabei nichts anderes wußte und wollte als, daß sie in ihn verliebt war und seiner begehrte.
»Wohl schwer«, wiederholte sie mit verhohlenem Beben. »Aber sie sagen ja alle, daß du die Leute zu gutem Dienst zu verhalten weißt und zu genauer Pflicht. So wird es dir mutmaßlich gelingen, sie anzulernen auch für diese Neuerung.«
Sein Blick lehrte sie, daß er ihr Geschwätz nicht gehört hatte, und sie war dessen froh, ob es sie zugleich auch schrecklich beleidigte. Er stand da in wirklicher wirtschaftlicher Versonnenheit.
»Die Rispen des Kornes«, sagte er, »sind sehr fest und biegsam. Man kann gute Bürsten und Besen draus machen und hat so immer noch etwas zu Hausnutz und Handel, wenn eine Ernte mißlingt.«
Sie schwieg in Schmerz und Kränkung, weil sie merkte, daß er gar nicht mehr an sie dachte und mit sich selber von Besen sprach, die freilich ehrenhafter waren als ihre Liebe. Er aber merkte wenigstens, daß sie schwieg, erschrak und sagte mit jenem Lächeln, das jeden gewann:
»Vergib, Herrin, die niedrige Unterhaltung, mit der ich dich sträflich ennuyiere! Es ist nur wegen meines unreifen Alleinseins mit den Verantwortlichkeiten und weil’s mich so sehr versuchte, mit dir zu raten.«
»Nichts zu vergeben«, antwortete sie. »Die Sache ist wichtig, und die Möglichkeit, Besen zu schaffen, mindert das Wagnis. Das war meine Überlegung sogleich, als du mir von der Neuerung sprachst, und ich will mich der Sache weiter annehmen in meinen Gedanken.«
Sie konnte nicht ruhig auf ihren Füßen
Weitere Kostenlose Bücher