Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
nicht alles ist Ungunst, es gibt auch Gunst, sehr viel Gunst sogar, da ich dir Herrin bin, Knabe, und du zu mir sprechen mußt, so süß, wie du tatest: ›Gebieterin meines Hauptes und Herzens‹, und ist nur Rededienst und leere Höflichkeit. Aber Worte sind stark, nicht ungestraft spricht man Worte, sie lassen eine Spur im Gemüt, gesprochen ohne Gefühl, sprechen sie zum Gefühle doch des, der sie spricht, lügst du mit ihnen, ihr Zauber verändert dich etwas nach ihrem Sinn, daß sie nicht ganz mehr Lüge sind, da du sie gesprochen. Das ist sehr günstig und hoffnungsreich, denn die Bestellung deines Gemütes, Knechtlein, durch die Worte, die du sagen mußt mir, deiner Herrin, macht einen guten Boden, gründig und fein, für die Saat meiner Schönheit, wenn ich das Glück habe, dir schön zu erscheinen im Lichte, und aus dem Knechtsgefühl deiner Worte zusammen mit meiner Schönheit wird mir Heil und Wonne werden von dir, denn eine Anbetung wird daraus keimen, die nur der Ermutigung harren wird, um zur Begierde zu werden, denn so ist es, Knäblein, Anbetung, die sich ermutigt sieht, wird zur Begierde ... Oh, ich verderbtes Weib! Pfui über meine Schlangengedanken! Pfui über mein Haupt und Herz! Osarsiph, vergib mir, mein junger Herr und Erlöser, meines Lebens Morgen- und Abendstern! Wie mußte es heute so fehlschlagen durch Schuld meiner zappelnden Füße, daß alles verloren scheint? Doch werde ich mich noch nicht töten und noch nicht nach einer Giftnatter schicken, daß ich sie mir an den Busen lege, denn viel Hoffnung und Gunst ist übrig. Morgen, morgen und alle Tage! Er bleibt bei uns, er bleibt über dem Hause, Peteprê schlug es mir ab, daß man ihn verkaufe, immer muß ich ihn sehen, jeder Tag steigt herauf mit Hoffnung und Gunst. ›Wir müssen’s fortsetzen, Vorsteher, ein andermal. Ich will die Sache bedenken und gewähre dir neuen Vortrag für nächstens.‹ Das war gut, es hieß vorsorgen fürs nächste Mal. Ei ja, so besonnen warst du doch, Eni, in allem Wahnsinn, daß du für Anknüpfung sorgtest! Er muß wiederkommen, und ist er säumig aus Scheu, so schicke ich Dûdu, den Zwerg, zu ihm, ihn zu mahnen. Wie will ich dann alles verbessern, was heute mißlungen, und ihm begegnen in ruhiger Gnade bei völlig gelassenen Füßen, indem ich nur leise, ganz wann mir’s gefällt, ein wenig Ermutigung durchblicken lasse für seine Anbetung. Vielleicht auch, daß er mir weniger schön erscheint, dies baldige nächste Mal, so daß sich abkühlt mein Herz gegen ihn und ich lächeln und scherzen kann freien Geistes und ihn für mich entflammen, während ich gar nichts leide? ... Nein, ach nein, Osarsiph, so soll’s nicht sein, es sind Schlangengedanken, und gern will ich leiden um dich, mein Herr und mein Heil, denn wie eines erstgeborenen Stieres ist deine Herrlichkeit ...«
Diese Flatterrede, von welcher Hezes und Me’et, die Zofen, mit Staunen einzelnes auffingen, war nur eine von vielen, von hundert solchen, die Mut, der Herrin, in dem Jahre entflohen, während dessen sie dem Joseph ihre Liebe noch zu verhehlen suchte; und auch das Zwiegespräch, das ihm voranging, über das Mohrenkorn, steht für sehr zahlreiche seinesgleichen, gepflogen zu verschiedenen Tageszeiten und an verschiedenen Orten: im Garten wie jenes, im Brunnenhofe des Frauenhauses, im Tempelchen droben sogar, wohin aber Eni nie unbegleitet kam, wie auch Joseph wohl einen oder zwei Schreiber mit sich führte, die ihm Papierrollen, vorzulegende Rechnungen, Pläne und Ausweise nachtrugen. Denn immer war zwischen ihnen von Wirtschaftlichem die Rede, von Verpflegung, Feldbau, Handel und Handwerksbetrieb, worüber der Jungmeier der Herrin Rechenschaft ablegte, worin er sie unterwies oder wozu er sich ihres Rates bedürftig zeigte: Dies war nun einmal der Lügengegenstand ihrer Gespräche, und es ist anzuerkennen – wenn auch mit einem etwas fraglichen Lächeln anzuerkennen –, daß Joseph Wert darauf legte und sich bemühte, aus dem Vorgeschützten Eigentliches zu machen, ernstlich die Frau mit diesen Sachlichkeiten zu befassen und ihre redliche Anteilnahme, wenn auch allenfalls auf Grund ihrer Neigung für seine Person, dafür zu gewinnen.
Das war eine Art von Heilsplan: Jung-Joseph gefiel sich in des Erziehers Rolle. Seine Meinung war (wie er meinte), daß er die Gedanken der Gebieterin wollte vom Persönlichen aufs Gegenständliche ablenken, von seinen Augen auf seine Sorgen, und sie dadurch kühlen, ernüchtern und heilen, also
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