Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
daß er zwar Ehre, Vorteil und schönes Vergnügen ihres Umganges und ihrer Gnade gewann, ohne doch die Gefahr der Grube zu laufen, mit der das angstvolle Gottliebchen drohte. Man kann nicht umhin, eine gewisse Überheblichkeit in diesem pädagogischen Heilsplan des jugendlichen Meiers zu finden, mit dem er die Seele seiner Gebieterin, einer Frau wie Mut-em-enet, zu gängeln gedachte. Die Grubengefahr ernstlich zu bannen, wäre der unvergleichlich sicherere Weg gewesen, die Herrin zu meiden und ihr den Blick zu versagen, anstatt erzieherische Zusammenkünfte mit ihr zu halten. Daß Jaakobs Sohn diesen den Vorzug gab, weckt den Verdacht, daß es mit dem Heilsplane ein Larifari war und daß seine Idee, aus dem Vorgeschützten das ehrenhaft Eigentliche zu machen, selbst eine Vorschützung war seiner nicht mehr dem puren Geist, sondern dem Hange dienstbaren Gedanken.
Dies war jedenfalls der Verdacht oder vielmehr die kleine und scharfe Weisheitserkenntnis Gottliebchens, des Gnomen; und er machte vor Joseph kein Hehl aus ihr, sondern flehte ihn beinahe täglich mit gerungenen Händchen an, doch nicht zu Luftdrusch und Winkelzügen sich zu erniedrigen, sondern so klug zu sein wie gut und schön und den Atem des alles verheerenden Feuerstieres zu fliehen. Umsonst, sein vollwüchsiger Freund, der Jungmeier, wußte es besser. Denn wer mit Recht gewohnt war, auf seinen Verstand zu vertrauen, dem wird, wenn dieser sich trübt, das gewohnte Vertrauen zu einer großen Gefahr.
Auch Dûdu, der kernhafte Zwerg, spielte unterdessen seine Rolle, wie sie im Buche steht: die Rolle des arglistigen Meldegängers und auf Verderben spekulierenden Zubläsers, der hin und her geht zwischen zweien, die sündigen möchten, hier blinzelt und winkt, dort zwinkert und deutet, sich zu dir stellt, das Maul verschiebt und, ohne die Lippen zu öffnen, aus dem Mundwinkel einen Beutel macht, woraus er entnervende Kuppelbotschaft schüttet. Er spielte die Rolle, ohne seine Vorgänger und Nachfahren in ihr zu kennen, sozusagen als erster und einziger, wofür jeder in jeder Lebensrolle sich halten möchte, gleichsam nach eigener Erfindung und auf eigenste Hand, – dennoch aber mit jener Würde und Sicherheit, die dem gerade obenauf gekommenen und am Lichte agierenden Spieler nicht seine vermeintliche Erstmaligkeit und Einzigkeit verleiht, sondern die er im Gegenteil aus dem tieferen Bewußtsein schöpft, etwas Gegründet-Rechtmäßiges wieder vorzustellen und sich, wie widerwärtig auch immer, so doch in seiner Art musterhaft zu benehmen.
Damals ging er noch nicht den Seitenweg, der auch dazu gehört und der abzweigend von dem fleißig hin und her begangenen an einen dritten Ort führte, nämlich zu Potiphar, dem zarten Herrn, daß er’s ihm stecke und ihm Verdächtiges ins Ohr träufle von wegen gewisser Zusammenkünfte. Das sollte noch kommen, und für den Augenblick schien ihm zum Begehen auch dieses ausgetretenen Weges der Fall noch nicht reif. Es wollte ihm nicht gefallen, daß, entgegen aller Gelegenheitsmacherei, deren er sich befleißigte, und allen halbgefälschten Bestellungen, die er an beiden Enden des Weges aus dem Beutel seines Mundwinkels schüttete, Jungmeier und Herrin fast niemals allein, sondern so gut wie ohne Ausnahme unter Ehrenbedeckung miteinander sprachen; und was sie miteinander sprachen, mißfiel ihm auch: Der erzieherische Heilsplan Josephs war gar nicht nach seinem Sinn und ärgerte ihn, obgleich er so gut wie sein reines Vetterchen ein dem Hange dienstbares Larifari darin erkannte. Der ökonomische Austausch schien ihm eine wunschgemäße Entwicklung der Dinge zu verzögern, und er besorgte auch wohl, Josephs Methode möchte Erfolg haben und wirklich die Gedanken der Herrin gereinigt und versachlicht werden durch sie, so daß sie vom Eigentlichen abkämen. Denn auch zu ihm, dem Biederen, sprach sie nun öfters von Dingen der Wirtschaft, von Erzeugung und Handel, Ölpreisen und Wachspreisen, Rationen und Magazinierung; und wenn es auch seinem Sonnenwitz nicht entging, daß sie damit nur ihre Gedanken umhüllte und heimlich mit alldem von Joseph sprach, der sie’s gelehrt, so verdroß es ihn doch, und hin und her gehend schüttete er beiderseits seine aufmunternden Bestellungen aus, dahingehend am einen Ende: der jugendliche Vorsteher sei oft gar betrübt, weil er, begnadet, nach des Tages Mühsal oder zwischenein mit der Herrin zu sein und die Seele in ihrer Schönheit zu baden, auch wieder nur vom leidigen Hausgeschäft
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