Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
mit ihr reden dürfe, anstatt Erquicklich-Näherliegendes ziemlich zur Sprache zu bringen. Am andern Ende: die Herrin beklage es und habe ihm, Dûdu, befohlen, dem Jungmeier Kunde zu geben von ihrer Bitterkeit darüber, daß jener die Gunst der Audienzen so mangelhaft wahrnehme und immer nur von der Ökonomie vor ihr rede, nicht aber auch endlich einmal auf sich selber komme, um ihren geneigten Wissensdurst zu stillen über seine Person und sein Vorleben, seine elende Heimat, seine Mutter und darüber, wie es allenfalls mit seiner jungfräulichen Geburt und seiner Höllenfahrt und Auferstehung zugegangen sei. Von solchen Dingen zu hören, sagte er, sei für eine Dame wie Mut-em-enet selbstverständlich pikanter als Vorträge über Papierkleberei und Webstuhlbelieferung, und wenn der Vorsteher Fortschritte machen wolle bei Mut, der Herrin, Fortschritte gegen ein höchstes Ziel, höher und herrlicher als alle Ziele, die er je im Hause erreicht, so möge er sich ein Herz fassen zu minder lederner Redeweise.
»Laß er das meine Sache sein, so Ziele wie Mittel«, antwortete Joseph ihm unfreundlich. »Du könntest auch vorneheraus sprechen, statt aus der Seitentasche; ich seh’ es mit Widerwillen und wünschte, daß du deinerseits dich mehr ans Sachliche hieltest, Gatte der Zeset. Vergiß nicht, daß es weltlich steht zwischen dir und mir und nicht herzlich! Trage mir zu immerhin, was du auffängst in Haus und Stadt. Zu Freundesratschlägen hab’ ich dich nicht ermutigt.«
»Bei meiner Kinder Häuptern!« schwor Dûdu. »Ich habe dir unserm Bunde gemäß hinterbracht, was ich auffing von bitteren Seufzern der Herrin über die Ledernheit deines Vortrags. Nicht Dûdu ist’s, der da rät, sondern sie und ihr Seufzen nach etlicher Pikanterie.«
Das war aber mehr als zur Hälfte gelogen, denn auf seine Vorhaltung: wenn sie dem Jungmeier auf den Zauber kommen und ihn zu Falle bringen wolle, müsse sie ihm näher an die Person rücken, statt ihm zu erlauben, sich hinter sein Amt und Geschäft zu verschanzen, hatte sie dem Mahner zur Antwort gegeben:
»Es tut mir wohl und beruhigt mir etwas die Seele, von dem zu hören, was er tut, wenn ich ihn nicht sehe.«
Eine recht kennzeichnende Antwort, auch rührend, wenn man will, weil sie den Neid des liebenden Weibes auf das Ausgefülltsein des männlichen Daseins enthüllt, die Eifersucht des nichts als empfindenden Wesens auf die Sachgehalte, die den Raum des geliebten Lebens zu so großem Teile in Anspruch nehmen und ihr das Leidend-Müßige eines nur der Empfindung gewidmeten Lebens zu fühlen geben. Das Streben der Frau nach Teilnehmung an solchen Inhalten entspringt allgemein aus dieser Eifersucht, auch wenn sie nicht praktisch-ökonomischer, sondern geistiger Art sind.
Mut also, der Herrin, »tat es wohl«, sich von Joseph in die Materie einführen zu lassen, unter dem Anschein sogar und der Vorspiegelung, daß er sich, seiner Jugend wegen, von ihr darüber beraten zu lassen wünschte. Und wie gleichgültig ist es ja auch, wovon die Worte des Geliebten handeln, da es seine Stimme ist, die ihren Leib bildet, da seine Lippen sie formen, sein schöner Blick sie deutend begleitet und seine Gesamtnähe auch die kältesttrockensten noch durchwärmt und tränkt, wie Sonne und Wasser das Erdreich wärmen und tränken. So wird jedes Gespräch zum Liebesgespräche, – und in eigentlicher Reinheit könnte ein solches ja auch gar nicht geführt werden, weil es dann aus den Silben »ich« und »du« bestehen und an übergroßer Monotonie zugrunde gehen müßte, weshalb notwendig immer von anderen Dingen aushilfsweise dabei die Rede sein muß. Dazu aber, wie es aus ihrer treuherzigen Antwort hervorging, schätzte Eni den Gesprächsstoff hoch, weil er ihrer Seele Nahrung war an öden, der Hoffnung entkleideten und traurig entspannten Tagen, wenn Joseph geschäftlich stromab oder -aufwärts verreist war und weder bei Tafel sich »Augenblicke« ereignen konnten noch sie seines Besuches im Frauenhause oder sonst einer Begegnung in wünschendem Bangen gewärtig sein mußte und durfte. Dann zehrte sie von jenem Stoff, hielt ihn in ihrem Herzen hoch und tat sich viel Tröstliches zugute darauf, zu wissen, in welcher Angelegenheit der Geliebte abwesend war in der und der Stadt und ihren Dörfern, auf dieser Messe und jenem Markt, in ihrem Weibeselend müßiger Empfindung wenigstens die Sachgehalte nennen zu können, die seine männlichen Tage füllten. Auch konnte sie nicht umhin, sich des
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