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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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und »Spottgelächter«, dieses letztere ihm am vertrautesten: aber nicht auf leidende Weise, als Opfer des Tieres, wie es eigentlich gemeint war, sondern er selbst lachte Spott, und nichts anderes fanden die Weiber der Dächer und Mauern in seinen Augen, wenn sie nach ihm spähten. Ein solches Verhalten zur Sphäre verliebter Wollust kommt unstreitig vor; das Bewußtsein höherer Bindung und Liebeserlesenheit vermag sie zu zeitigen. Wer aber Überheblichkeit gegen das Menschliche darin erblicken und es sträflich finden will, die Leidenschaft im komischen Lichte zu sehen, der wisse, daß unsere Erzählung sich Stunden nähert, wo dem Joseph das Lachen verging, und daß die zweite Katastrophe seines Lebens, die Wiederkehr seines Unterganges, durch ebendie Macht herbeigeführt wurde, der er aus Jugendstolz den Tribut verweigern zu sollen geglaubt hatte. –
    Dies war der erste Grund, weshalb Joseph sich der Lust verweigerte von Potiphars Weib: Er war gottverlobt, er übte kluge Rücksicht, er trug dem besonderen Schmerze Rechnung, den Treulosigkeit zufügt dem Einsamen. Das zweite Motiv war eng mit diesem ersten verbunden, es war nur das Spiegelbild davon und sozusagen dasselbe in irdisch-verbürgerlichter Form: Es war die im Bunde mit dem gen Westen gegangenen Mont-kaw befestigte Treue zu Potiphar, dem heiklen Herrn, dem Höchsten im nächsten Kreise.
    Die Gleichsetzung und spielerische Verwechslung des überhaupt Höchsten mit dem vergleichsweise und an seinem Orte Höchsten, die sich im Kopfe des Abramsenkels vollzog, kann nicht verfehlen, den neuzeitlichen Sinn absurd zu berühren und ihn sogar kraß anzumuten. Sie ist gleichwohl anzunehmen und einzusehen, wenn man wissen will, wie es in diesem frühen (wenn auch wieder schon späten) Kopfe aussah, der seine Gedanken mit derselben Vernunftwürde, Ruhe und Selbstverständlichkeit dachte wie wir die unsrigen. Es ist nicht anders, als daß die feiste, doch edle Person des Sonnenämtlings und Titelgatten der Mut in ihrer melancholischen Selbstsucht diesem träumerischen Kopf als die untere Entsprechung und fleischliche Wiederholung des weib- und kinderlosen, einsam-eifersüchtigen Gottes seiner Väter erschien, der schonende Menschentreue zu halten er, in verspieltem Zugleich und nicht ohne Einschlag verwandter Nützlichkeitsspekulation, aufs ernstlichste entschlossen war. Nimmt man das heilige Gelöbnis hinzu, das er dem Mont-kaw in dessen Sterbestunde getan: die zarte Würde des Herrn zu stützen nach bester Kunst und sie nicht zuschanden werden zu lassen, so wird man desto besser verstehen, daß ihm die kaum noch verschwiegenen Wünsche der armen Mut als züngelnde Versuchung erscheinen mußten, zu erfahren, was Gut und Böse sei, und Adams Torheit zu wiederholen. – Das war das zweite.
    Fürs dritte genügt das Wort, daß seine erweckte Männlichkeit nicht wollte ins leidend Weibliche herabgesetzt sein durch einer Herrin männisches Werben, nicht Ziel, sondern Pfeil sein wollte der Lust, – so ist man verständigt. Und leicht fügt das vierte sich an, da es gleichfalls den Stolz betrifft, aber den geistlichen.
    Es graute dem Joseph vor dem, was Mut, das ägyptische Weib, in seinen Augen verkörperte und womit sein Blut zu vermischen ein erbstolzes Reinheitsgebot ihn warnte: die Greisheit des Landes, in das er verkauft worden, die Dauer, welche verheißungslos, in wüster Unwandelbarkeit, hinausstarrte in eine Zukunft, wild, tot und bar der Gewärtigung, doch Miene machte, die Pranke zu heben und das ratend vor ihr stehende Kind der Verheißung an ihre Brust zu reißen, damit es ihr seinen Namen nenne, von welcher Beschaffenheit sie nun auch war. Denn das verheißungslos Greise, das war das Geile zugleich, nach jungem Blute lüstern, nach solchem zumal, das jung nicht nur seinen Jahren nach war, sondern besonders noch nach seiner Erwähltheit zur Zukunft. Dieser Vornehmheit hatte Joseph im Grunde niemals vergessen, seit er, ein Niemand und Nichts, ein Sklavenjunge des Elends, ins Land gekommen war, und bei allem gefälligen Weltsinn, der ihm angeboren und mit dem er sich unter den Kindern des Schlammes umgetan, bei denen er’s weit zu bringen gedachte, hatte er Abstand gewahrt und innersten Vorbehalt, wohl wissend, daß er im Letzten sich nicht gemein machen dürfe mit dem Verpönten, wohl spürend, kam es aufs Letzte, wes Geistes Kind er war und welchen Vaters Sohn.
    Der Vater! Das war das fünfte – wenn’s nicht das erste war und alles beherrschte. Er

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