Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
bunten Vogel, den dritten in einen wilden Hund, so daß ihn, den Hirten der Herde, die eigenen Hirtenknaben verjagten und die Hunde sein Fell bissen. »Mir würde wie ihnen geschehen«, gibt das Spiel mir zu sagen auf. Warum sagte Gilgamesch so und beleidigte dich, so daß du zu Anu ranntest in deiner Wut und ihn bestimmtest, den feuerschnaubenden Himmelsstier zu senden wider den Unfolgsamen? Ich weiß nun, warum, denn in ihm verstehe ich mich, wie ich ihn verstehe durch mich. Aus Mißbehagen über deine herrinnenhaften Komplimente sprach er so und kehrte die Jungfrau heraus vor dir, indem er sich mit Keuschheit gürtete gegen dein Werben und Schenken, Ischtar im Barte! –
Von Josephs Keuschheit
Indem wir Joseph, den Steineleser, solcherart seine Gedanken mit denen des Vorgängers vereinigen sehen, gibt er uns das Stichwort zu einer Zerlegung, die zugleich Aufrechnung und Zusammenfassung ist und die wir in der Überzeugung, sie den schönen Wissenschaften schuldig zu sein, am besten hier einstellen: das Stichwort der »Keuschheit«. Dieses Gedankending ist mit Josephs Gestalt durch die Jahrtausende unweigerlich verbunden, es liefert das klassisch-unzertrennliche Beiwort zu seinem Namen; »der keusche Joseph« oder sogar, ins Symbolisch-Gattungsmäßige übertragen, » ein keuscher Joseph«, das ist die zimperlich-anmutige Formel, unter der sein Andenken in einer von seinen Lebenstagen durch so tiefe Klüfte getrennten Menschheit fortlebt; und bei der genauen und zuverlässigen Wiederherstellung seiner Geschichte würden wir nicht glauben, ganz das Unsere getan zu haben, wir hätten denn an gehörigem Ort die zerstreut angedeuteten Motive und Wesensbestandteile dieser vielbeschriebenen Keuschheit, bunt und kraus wie sie sind, gesammelt und sie dem Betrachter, der aus begreiflichem Mitgefühl für Mut-em-enets Leiden sich an Josephs Hartnäckigkeit ärgern sollte, zu möglichstem Eindruck übersichtlich gemacht.
Es bedarf keines Wortes: der Name der Keuschheit kann nimmermehr statthaben, wo es an fähiger Freiheit fehlt, bei Titelobersten also und verstümperten Sonnenkämmerern. Daß Joseph ein unverkürzter und lebendiger Mensch war, ist selbstverständliche Voraussetzung. Wir wissen ja übrigens, daß er in reiferen Jahren unter königlichem Protektorat eine ägyptische Heirat einging, aus der ihm zwei Kinder, die Knaben Ephraim und Menasse, erwuchsen (sie werden schon noch vorgeführt werden). Er hielt sich also als Mann nicht mehr keusch, sondern nur seine Jugend hindurch, von deren Idee ihm die der Keuschheit auf eine besondere Weise unzertrennlich war. Es ist deutlich, daß er seine Jungfräulichkeit (man spricht davon ja auch wohl bei Jungmännern) nur so lange hütete, als auf ihrer Hingabe das Tonzeichen des Verbotenen, der Versuchung und des Falles lag. Später, als es damit sozusagen nichts mehr auf sich hatte, ließ er die Keuschheit unbedenklich fahren, so daß also das klassische Beiwort nicht lebenslang, sondern nur zeitweise auf ihn zutrifft.
Abzuwehren bleibt etwa noch der Mißverstand, es sei seine Jugendkeuschheit die eines Gimpels vom Lande und hölzernen Dummkopfs in Liebesdingen gewesen, – die Sache linkischer Dämlichkeit, deren Vorstellung ein unternehmendes Temperament gar leicht mit der der »Keuschheit« verbindet. Daß Jaakobs Sorgenliebling in pikanter Hinsicht ein Dämelack und toter Hund gewesen sei, ist eine Annahme, die sich schlecht mit dem Bilde vertrüge, das uns an allem Anfang zuerst von ihm vor die Seele trat und das wir mit den bemühten Augen des Vaters betrachteten: wie nämlich der Siebzehnjährige am Brunnen mit dem schönen Monde tändelte und sich schön vor ihm machte. Seine berühmte Keuschheit war tatsächlich so weit entfernt, ein Erzeugnis der Unbegabtheit zu sein, daß sie vielmehr im geraden Gegenteil auf einer Gesamtdurchdringung der Welt und seines Wechselverhältnisses zu ihr mit Liebesgeist beruhte, einer Allverliebtheit, die ihre umfassende Bezeichnung darum so ganz verdiente, weil sie an den Grenzen des Irdischen nicht haltmachte, sondern als Arom, zarter Einschlag, heikle Bedeutung, verschwiegener Untergrund in durchaus jeder Beziehung, auch der schauerlich-heiligsten, gegenwärtig war. Daß sie es war, eben daraus ging die Keuschheit hervor.
Wir haben uns in Frühzeiten an dem Phänomen der lebendigen Eifersucht Gottes versucht aus Anlaß der unzweideutig leidenschaftlichen Heimsuchungen, mit denen der ehemalige Wüstendämon noch bei weit
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