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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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wußte nicht, der geschlagene Alte, der in trauriger Gewöhnung das Kind für geborgen hielt im Tode, – wußte nicht, wo es, bekleidet schon mit einem ganz fremden Leibrock, lebte und wandelte. Erführe er’s, – er würde auf den Rücken fallen und erstarren vor Kummer, das war gewiß. Wenn Joseph ans dritte dachte von den drei Denkbildern: Entrückung, Erhöhung und Nachkommen lassen, so verhehlte er sich nie, welche Widerstände da würden zu überwinden sein in Jaakob; denn er kannte das pathetische Vorurteil des Würdevollen gegen »Mizraim«, seinen väterlichkindlichen Abscheu vor Hagars Land, dem äffischen Ägypterlande. Wortdeuterisch ganz falsch leitete der Gute den Namen Keme, der sich auf die schwarze Fruchterde bezog, von Cham ab, dem Vaterschänder und Schamentblößten, und hegte von der greulichen Narrheit der Landeskinder in Dingen von Zucht und Sitte gar überschwengliche Vorstellungen, die Joseph stets im Verdachte der Einseitigkeit gehabt und die er als sagenhaft zu belächeln gelernt hatte, seit er hier wandelte; denn dieser Kinder Wollust war nicht ärger als anderer Leute Wollust, und woher denn auch hätten die seufzend steuernden Robot-Bäuerlein und amtlich befuchtelten Wasserschöpfer dahier, die Joseph seit neun Jahren kannte, den Übermut nehmen sollen, es sonderlich sodomitisch zu treiben? Kurzum, der Alte bildete sich feierliche Schwachheiten ein von wegen der Aufführung der Leute Ägyptens – als lebten sie, daß es den Gottessöhnen hätte müssen buhlerisch in die Glieder fahren.
    Dennoch war Joseph der letzte, sich den Wahrheitskern zu verbergen von Jaakobs sittlicher Absage an das Land der Tier- und Leichenanbeter, und manches fromme und krasse Wort ging ihm zu dieser Frist im Kopfe herum, das der besorgte Alte zu ihm gesprochen von Leuten, die nach Belieben ihre Betten zusammenstellten mit denen der Nachbarn und die Weiber austauschten; von Frauen, die über den Markt gingen und einen Jüngling sahen, der ihrer Lust behagte: da legten sie sich zu ihm schlankerhand und ohne Begriff der Sünde. Die Sphäre, welcher der Vater diese bedenklichen Bilder entnahm, war dem Joseph bekannt: Es war die Sphäre Kanaans und der greulichen Wallungen seines Dienstes, zuwider der Gottesvernunft, die Sphäre der Molech-Narrheit, des Singtanzes, der Preisgabe und des Aulasaukaula, wo man den Fruchtbarkeitsgötzen vor- und nachhurte in festlicher Vermischungswut. Joseph, Jaakobs Sohn, wollte den Baalen nicht nachhuren: das war von sieben Gründen der fünfte, weshalb er sich vorenthielt. Der sechste ist gleich bei der Hand; nur schickt es sich doch um des Mitgefühls willen, im Vorübergehn auf das traurige Verhängnis hinzuweisen, mit dem das Liebessehnen der armen Mut geschlagen war: daß nämlich derjenige, an den sie ihre späte Hoffnung gehängt, dieselbe in solchem Lichte sah, sie von Vaters wegen so mythisch mißverstand und in den Ruf ihrer Zärtlichkeit so wüst Versucherisches hineinhören mußte, wovon so gut wie gar nichts darin war; denn Eni’s Herzensschwäche für Joseph hatte mit Baalsnarrheit und Aulasaukaula wenig zu tun, sie war ein tiefer und redlicher Schmerz um seine Schönheit und Jugend, ein innigstes Begehren, so anständig und unanständig wie eine andere und nicht verhurter, als Liebe es eben ist. Wenn sie ausartete später und um den Verstand kam, so war nur der Kummer daran schuld über die siebenfach begründete Vorbehaltenheit, auf die sie stieß. Das Unglück wollte, daß über ihre Liebe nicht das entschied, was sie war, sondern was sie für Joseph bedeutete, und das war sechstens der »Bund mit Scheol«.
    Man muß das recht verstehen. In Josephs geistig-grundsätzlicher Betrachtungsweise eines Falles, in dem er sich klug und rücksichtsvoll zu benehmen, sich nichts zu vergeben und nichts zu verderben wünschte, gesellte sich zu der feindlich-versucherischen Idee der lallenden Baalsnarrheit, die kanaanitisch war, als größte Erschwerung noch etwas sonderlich Ägyptisches: die Andacht zum Tode und zu Toten nämlich, die nichts anderes war als die hiesige Form der Baalshurerei und als deren Darstellerin, zu Muts Unglück, ihm die werbende Herrin erschien. Man kann sich die Ur-Warnung, das anfangsgründliche Nein, das für Joseph über der Misch-Idee von Tod und Ausschweifung, der Idee des Bundes mit dem Unteren und den Unteren hing, nicht schwer genug vorstellen: gegen dies Verbot zu verstoßen, zu »sündigen« hier, sich fehlerhaft zu benehmen in diesem

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