Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
Übermut, die Zuversicht, er könne es weit treiben mit der Gefahr, – zurück, im Notfall, könne er immer noch; es war, als löblichere Kehrseite davon, auch wohl der Wille zur Zumutung, der Ehrgeiz, es sich hart ankommen zu lassen, sich nicht zu schonen und es aufs Äußerste zu treiben, um desto siegreicher aus der Versuchung hervorzugehen, – ein Virtuosenstück der Tugend zu vollbringen und teurer zu sein dem Vatergeist als nach vorsichtig leichterer Prüfung ... Vielleicht war es gar das heimliche Wissen um seine Bahn und ihre Krümmung, die Ahnung, daß sie sich wieder einmal vollenden wollte im kleineren Umlauf und es ein anderes Mal mit ihm sollte in die Grube gehen, die nicht zu vermeiden war, wenn sich erfüllen sollte, was vorgeschrieben stand im Buch der Pläne.
SIEBENTES HAUPTSTÜCK
DIE GRUBE
Süße Billetts
Wir sehen und sagten, daß Potiphars Weib im dritten Jahre ihrer Berührtheit, dem zehnten von Josephs Aufenthalt im Hause des Kämmerers, begann, dem Sohne Jaakobs ihre Liebe anzutragen, und zwar mit wachsendem Ungestüm. Im Grunde ist zwischen dem »Zu-erkennen-geben« des zweiten und dem »Antragen« des dritten Jahres der Unterschied nicht so groß; dieser war eigentlich schon in jenem enthalten, die Grenze zwischen dem einen und andern ist fließend. Aber vorhanden ist sie, und sie zu überschreiten, von bloßer Huldigung und begehrenden Blicken, die freilich auch schon Werbung bedeutet hatten, zur wirklichen Aufforderung überzugehen, kostete die Frau fast so viel Selbstüberwindung, wie es sie gekostet hätte, ihre Schwäche zu überwinden und der Lust auf den Knecht zu entsagen, – aber eben doch wohl etwas weniger; denn sonst hätte sie dieser anderen Selbstüberwindung offenbar den Vorzug geben müssen.
Sie tat es nicht; lieber, denn daß sie ihre Liebe überwunden hätte, überwand sie ihren Stolz und ihre Scham, was schwer genug war, aber doch etwas leichter, – eine Spur leichter auch darum schon, weil sie bei dieser Überwindung nicht ganz allein war, wie sie es bei der ihrer Begierde gewesen wäre, sondern Hilfe fand bei Dûdu, dem Zeugezwerge, der hin und her gehend zwischen ihr und dem Sohne Jaakobs, als erster und einziger seiner Meinung nach und mit vieler Würde, die Rolle des argen Gönners, Ratgebers und Botschafters spielte und beiderseits mit vollen Backen ins Feuer blies. Denn daß es hier nachgerade zwei Feuer gab und nicht nur eines; daß Josephs pädagogischer Heilsplan, mit dem er es begründen wollte, daß er die Herrin nicht mied, sondern fast täglich vor ihr stand, ein Larifari war und eine ausgemachte Eselei, da er sich in Wahrheit, wissentlich oder nicht, längst bereits in wickelzerreißendem Gotteszustande befand, das begriff Dûdu natürlich nicht schlechter als das zitternde Gottliebchen; denn auf diesem Feld war sein Witz und Sachverstand dem des Vetterchens nicht nur gewachsen, sondern auch überlegen.
»Jungmeier«, sagte er an diesem Ende des Weges, »du hast bis jetzt dein Glück zu machen gewußt, das muß dir der Neid lassen, den ich nicht kenne. Du hast untertreten, die über dir waren, trotz deiner zweifellos anständigen, aber bescheidenen Herkunft. Du schläfst im Sondergemach des Vertrauens, und die Bezüge, deren der Usir Mont-kaw sich einstmals erfreute, an Korn, Broten, Bier, Gänsen, Leinen und Leder, du bist es nun, der sich ihrer erfreut. Du bringst sie zu Markte, da du sie unmöglich verzehren kannst, du mehrst deine Habe und scheinst ein gemachter Mann. Aber wie gemacht, so zerstört, und wie gewonnen, so zerronnen, heißt es oft in der Welt, wenn der Mann sein Glück nicht zu halten und zu befestigen weiß und nicht versteht, es zu untermauern mit unerschütterlichen Fundamenten, daß es ewig dauere wie ein Totentempel. Öfters geschieht es wohl in der Wiederkehr, daß dem Glück eines solchen nur etwas noch fehlt zu seiner Bekrönung, Vollendung und ewigen Unerschütterlichkeit, und er brauchte nur die Hand danach auszustrecken, um es zu fassen. Aber sei es aus Scheu und Stutzigkeit, sei es aus Lässigkeit oder gar Dünkel unterläßt es der Tor, wickelt die Hand ins Gewand und streckt sie störrig ums Leben nicht aus nach dem letzten Glück, sondern versäumt’s, verschmäht es und schlägt’s in den Wind. Und die Folge? Die trübselige Folge ist, daß sein ganzes Glück und all sein Gewinn dahinfällt und ebenerdig geschleift wird, so daß man seine Stätte nicht mehr erkennt um der einen Verschmähung willen. Denn durch
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