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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Atum-Röte verbergen konnte, die ihm dabei ins Gesicht stieg, so daß er vor Ärger über diesen Reflex den Briefträger unsanft davonjagte, ohne Dank. Aber trotz allem angstvollen Gewisper, womit man ihm von anderer Seite anlag, der verfänglichen Herausforderung doch ja nicht zu folgen, folgte er ihr dennoch und spielte mit der Herrin im Pfeilersalon unter dem Bilde Rê-Horachte’s auf dem Brette das Spiel zu zweien, wobei er einmal sie ins »Wasser« drängte und einmal sich von ihr dahinein drängen ließ, so daß Sieg und Niederlage einander aufhoben und das Ergebnis des Treffens als Null zu bezeichnen war – zu Dûdu's Enttäuschung, der immer die Handlung noch stocken sah.
    Darum tat er ein übriges und ging aufs Ganze, veranstaltete es und brachte es fertig, daß er abermals aus der Seitentasche zu Joseph sprechen konnte:
    »Zu überhändigen hab’ ich dir etwas von besonderer Seite.«
    »Was ist’s?« fragte Joseph.
    Da reichte der Zwerg ihm einen Schmalzettel hinauf, von dem man wohl sagen kann, daß er mit einem verzweifelten Ruck die Handlung vorwärtsbrachte, indem er nämlich das Wort, das wir ein Wort der Verkennung nannten, weil es nicht das Wort einer Dirne, sondern einer Überwältigten war, schon bar und unmißdeutbar enthielt, – wenn auch in der Umschreibung, welche die Schriftlichkeit allen Dingen zuteil werden läßt: die ägyptische Schrift zumal, deren die Briefstellerin sich natürlich bedient hatte und die in der zierhaften Gedrängtheit ihres die Vokale stumm anheimstellenden Zeichenwerks, mit ihren überall eingestreuten, die Begriffsklasse der konsonantisch knapp beschworenen Schälle an die Hand gebenden Deutbildern, immer etwas vom Zauber-Rebus, von blumiger Halbverhehlung und witzig logogryphischer Maskerade behält, so daß sie zur Abfassung süßer Billetts in der Tat wie geschaffen ist und das Unumwundenste ein sinnig-geistreiches Ansehen darin gewinnt. Die entscheidende Stelle von Mut-em-inets Mitteilung, das, was wir ihre Pointe nennen würden, bestand aus drei Lautzeichen, denen einige andere, ebenso hübsche vorangingen und an die sich das schnell umrissene Deutbild eines löwenköpfigen Ruhebettes schloß, auf welchem eine Mumie lag. Das Rebus sah aus wie folgt:

    und besagte »liegen« oder auch »schlafen«. Denn das ist nur ein Wort in Keme’s Sprache; »liegen« und »schlafen«, das ist dasselbe in seiner Schrift; und die ganze Zeile des Schmalzettels, unterfertigt mit dem Bildzeichen eines Geiers, was »Mut« bedeutete, lautete klar und unumwunden: »Komm, daß wir uns eine Stunde des Schlafens machen.«
    Was für ein Dokument! Goldes wert, höchst ehrwürdig und ergreifend, wenn auch mißlich, bedrückend und schlimm von Natur. Wir haben hier in seiner Urform, in originaler Fassung und derjenigen Prägung, welche die Sprache Ägyptens ihm verlieh, das Wort verlangenden Antrages, das Potiphars Weib der Überlieferung zufolge an Joseph richtete – erstmals in dieser schriftlichen Gestalt an ihn richtete, vermocht dazu von Dûdu, dem Zeugezwerg, der es ihr aus der Maultasche vorgesagt. Wenn aber wir schon bewegt sind bei seinem Anblick, wie sehr fuhr es dem Joseph erst in die Glieder, da er’s entzifferte! Bleich und erschrocken ließ er das Papier verschwinden in seiner Hand und jagte den Dûdu mit dem umgekehrten Fliegenwedel davon. Aber die Botschaft, das süße Ansinnen, den begehrendverheißenden Lockruf der Liebesherrin hatte er dahin, und wiewohl er ehrlicherweise kaum noch überrascht davon sein konnte, erschütterte es ihn doch mächtig und arbeitete dermaßen in seinem Blut, daß man für die Widerstandskraft der sieben Gegengründe fürchten müßte, wenn man, in der gegenwärtigen Feststunde der Geschichte ganz befangen, ihren Ausgang nicht kennte. Joseph aber, dem sie geschah, als sie sich ursprünglich selber erzählte, lebte wirklich ganz in der gegenwärtigen Stunde des Festes, vermochte nicht, über sie hinauszusehen, und durfte des Ausganges keineswegs sicher sein. Die Geschichte war in der Schwebe an dem Punkt, wo wir halten, und in dem Augenblick, der über sie entschied, sollte es an einem Haare hängen, daß die sieben Gründe tatsächlich zuschanden würden und Joseph der Sünde verfiel, – es hätte ebensogut schief wie just noch gerade gehen können. Gewiß, Joseph wußte sich entschlossen, den großen Fehler nicht zu begehen und es um keinen Preis mit Gott zu verderben. Aber der Hutzel Gottlieb hatte schon recht gehabt, wenn er in des

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