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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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setzten, unter den Lauten, mit denen man sich am Unaussprechlichen versuchte. Denn von alters schon hatte eine Ortschaft hierzulande »Be-ti-Ja«, »Haus des Ja«, geheißen, nicht anders also als »Bethel«, »Haus Gottes«, und es ist bezeugt, daß schon vor den Tagen des Gesetzgebers Amurruleute, welche in Sinear eingewandert waren, Eigennamen geführt hatten, in denen die Gottesbezeichnung »Ja’we« einschlägig war, – ja, schon Ur-Abraham hatte den Baum beim Heiligtum Siebenbrunnen »Jahwe el olam«, »Jahwe ist der Gott aller Zeitläufte«, genannt. Der Name aber, den Jahus beduinische Krieger sich zugelegt, sollte zum unterscheidenden Merkmal reineren und höheren Ebräertums, zur Kennzeichnung von Abrahams geistigem Samen werden, ebendadurch, daß Jaakob in schwerer Nacht am Jabbok ihn sich hatte zugestehen lassen ...
    Eliphas
    Für Leute wie Schimeon und Levi, die starken Lea-Söhne, mochte es ein Grund zu heimlichem Lächeln sein, daß der Vater just diesen kühnen und räuberischen Namen sich errungen, ihn sich gleichsam vom Himmel gerissen hatte. Denn Jaakob war nicht kriegerisch. Nie wäre er der Mann gewesen, zu tun, was Ur-Abram tat, als er, da die Söldlinge des Ostens, die Heerhaufen von Elam, Sinear, Larsa und von jenseits des Tigris, um überfälligen Tributes willen das Jordanland heimgesucht, seine Städte geplündert und auch Lot von Sodom gefangen weggeschleppt hatten, keck und treu entschlossen ein paar hundert hausbürtige Knechte und umwohnende Glaubensverwandten, Leute El-berits, des Höchsten, zusammenraffte, mit ihnen in starken Märschen von Hebron aufbrach, die abziehenden Elamiter und Gojim einholte und solche Verwirrung in ihrer Nachhut anrichtete, daß er viele Gefangene befreien und Lot nebst einer Menge geraubter Habe im Triumph nach Hause zurückführen konnte. Nein, dergleichen wäre nicht Jaakobs Sache gewesen, er hätte versagt in einem solchen Fall, und das hatte er sich im stillen auch eingestanden, als Joseph auf die alte, gern erzählte Geschichte zu sprechen gekommen war. Er »hätte es nicht vermocht«, so wenig, wie er es nach seinem eigenen Bekenntnis vermocht haben würde, mit dem Sohn zu tun, was der Herr verlangte. Lot zu befreien, hätte er Schimeon und Levi überlassen; wenn aber diese, unter dem ihnen bei solchen Gelegenheiten zu Gebote stehenden entsetzenerregenden Geschrei, unter den Mondanbetern ein Blutbad angerichtet hätten, so hätte er sein Angesicht mit dem Schal verhüllt und gesprochen: »Meine Seele komme nicht in ihren Rat!« Denn diese Seele war weich und schreckhaft; sie verabscheute es, Gewalt zuzufügen, sie zitterte davor, welche zu erleiden, und war voll von Erinnerungen an Niederlagen ihres Mannesmutes – Erinnerungen, die ihrer Würde, ihrer Feierlichkeit aber darum nicht Abbruch taten, weil immer und regelmäßig gerade in solchen Lagen physischer Demütigung ein Strahl und Zustrom des Geistes sie getroffen, eine mächtig tröstende und neu bestätigende Offenbarung der Gnade ihr zuteil geworden war, von der sie mit Fug und Recht sich mochte das Haupt erheben lassen, da sie selbst sie aus ihren ungedemütigten Tiefen erzeugt und erzwungen hatte.
    Wie war es mit Esau’s prächtigem Sohne Eliphas gewesen? Eliphas war dem Esau von einer seiner chetitisch-kanaanitischen Frauen geboren worden, Baalanbeterinnen, die er schon frühzeitig nach Beerscheba heimgeführt hatte und von denen Rebekka, Bethuels Tochter, zu sagen pflegte: »Mich verdrießt es, zu leben vor den Töchtern Heth.« Schon dem Jaakob war es nicht mehr gewiß, welche von ihnen Eliphas seine Mutter nannte; wahrscheinlich war es Ada, die Tochter Elons, gewesen. Auf jeden Fall war Jizchaks dreizehnjähriger, früh erstarkter Enkel ein ungewöhnlich gewinnender junger Mann: einfach von Geist, aber tapfer, freimütig, edeldenkend, gerade gewachsen an Leib und Seele und seinem benachteiligten Vater in stolzer Liebe ergeben. In mehr als einer Beziehung war ihm das Leben schwer gemacht: in Hinsicht sowohl auf die verwickelten Familienverhältnisse wie auch in Glaubensdingen. Denn nicht weniger als drei Bekenntnisse stritten um seine Seele: der El eljon der Großeltern, die Baalim der mütterlichen Sippe und eine gewittrige und pfeilschießende Gottheit namens Kuzach, verehrt von den Gebirglern im Süden, den Seïrim oder Leuten von Edom, zu denen Esau von früh an Beziehungen unterhalten hatte und zu denen er später vollends überging. Des rauhen Mannes ungeheurer Schmerz und

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