Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
überkleideten Ruhebett, indem sie das Gesicht in seinen Kissen verbirgt. Auf den Räucherständern des Zimmers glimmt Zimtholz und Myrrhenharz, und der duftende Dampf ihres Geschweles zieht durch die offenen Türen auch in die Nachtischhalle, den Gästesaal.
Soviel von Mut, der Zauberin.
Den Blick auf Jaakobs verstorbenen Sohn zurückzuwenden, so kam er nach Hause vor allem Ingesinde – man weiß es ja ohnedies. Er kam und mochte daran gewahr werden, daß er hatte kommen wollen, oder daß es ihn getrieben hatte, zu kommen – gleichviel! Die Umstände hatten nicht vermocht, ihn irre zu machen an seiner Pflicht und an dem Dafürhalten, daß es ihm anstehe und seine Sache sei, früher als jedermann sein Vergnügen abzubrechen und seine Aufmerksamkeit dem Hause zuzuwenden, über das er gesetzt war. Immerhin hatte er gezögert und es länger, als man denken sollte, anstehen lassen mit der Erfüllung einer durch soviel Spruchweisheit verbürgten und vorgezeichneten Pflicht. Zwar kam er in das noch leere Haus; aber gar viel fehlte nicht mehr, daß nicht auch bald schon die andern vom Feste heimkehrten, wenigstens soweit sie nicht Stadturlaub hatten auf den Abend, sondern zur Aufwartung gebraucht wurden in Hof und Haus – etwa nur noch eine Winterstunde, oder weniger sogar, fehlte daran, wobei noch in Anschlag zu bringen, daß Winterstunden viel kürzer sind als Stunden des Sommers in diesem Lande.
Ganz anders hatte er den Tag verbracht als die Harrende: in Sonne und Lärm, im bunten Trubel des Götzenfestes. Hinter seinen Wimpern drängten sich die Bilder der Prunkzüge, der Schauspiele, des Volksgewimmels. In seiner Rahelsnase trug er den Geruch der Opferbrände, der Blumen, der Ausdünstung vieler erregter, von Freudensprüngen und Sinnenschmaus erhitzter Menschen. Pauken- und Zinkenlärm, rhythmisches Händeklatschen und das Geschrei brünstiger Hoffnungsseligkeit füllten noch seine Ohren. Er hatte gegessen und getrunken, und ohne seiner Verfassung Übertriebenes nachzusagen, kennzeichnet man sie am besten mit der Feststellung, daß sie die eines Jünglings war, der in einer Gefahr, welche zugleich eine Gelegenheit ist, mehr die Gelegenheit als die Gefahr zu sehen bereit ist. Er hatte einen blauen Lotuskranz auf dem Kopf und noch eine Extrablume im Munde. Aus dem Handgelenk schnellte er sich das weiße Roßhaar seines bunten Fliegenwedels um die Schultern, indem er vor sich hin trällerte: »Macht der Troß sich gute Tage – Wählt der Meister sich die Plage« – in der Meinung, das sei altgeprägtes Volksgut und nur die Tonweise erfinde er sich selber dazu. So langte er an, als der Tag sich neigte, im Eigentum seines Herrn, öffnete sich die Haustür aus gegossener Bronze, überquerte das Sternbildermosaik der Flurhalle und trat ein in den schönen Estradensaal der Geselligkeit, wo im voraus schon alles zierlich und üppig bestellt war zu Peteprê’s Abendfeier.
Die Vollständigkeit der Vorbereitung zu prüfen, zu sehen, ob nicht der Schreiber des Schenktisches, Chamat, einen Verweis verdiene, war Jungmeier Joseph gekommen. Er ging umher im Pfeilersaal zwischen den Sesseln, den Tischchen, den Weinamphoren in ihren Ständern, den pyramidenförmig mit Früchten und Backwerk beladenen Anrichten. Er sah nach den Lampen, der Tafel mit Kränzen, Blumenkrägen und Eßbukett-Salbbüchsen und klirrte ein wenig auf den Kredenzen mit goldenen Bechern, die er ordnend verrückte. Und da er eine Weile so sich meisterlich umgeschaut und auch wohl einmal oder zweimal geklirrt hatte, schrak er zusammen; denn eine Stimme tönte aus einiger Weite zu ihm herüber, von läutendem Klang, eine Sangesstimme, die seinen Namen rief, den Namen, den er sich zugelegt in diesem Lande:
»Osarsiph!«
Sein ganzes Leben lang vergaß er nicht diesen Augenblick, wie im leeren Haus von fernher dies Namensgeläut an sein Ohr schlug. Er stand, den Wedel unter dem Arm, zwei goldne Becher in Händen, deren Glanz er geprüft und mit denen er allenfalls etwas geklirrt hatte, und lauschte, denn ihm schien, daß er meine, er habe nicht recht gehört. Doch schien ihm das wohl nur so, denn er harrte sehr lange aus mit seinen Bechern in lauschender Reglosigkeit, da es sehr lange nicht wieder rufen wollte. Endlich aber läutete es abermals sanghaft durch die Räume:
»Osarsiph!«
»Hier bin ich«, antwortete er. Da aber seine Stimme heiser war und ihm versagte, so räusperte er sich und wiederholte:
»Ich höre!«
Wieder blieb’s eine Weile still,
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