Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
nur die Wahl haben zwischen Ochsen und Menschen, sondern daß uns auch allerlei Barbaren des roten Landes, Libyer, Puntier und syrische Sandbewohner in beliebiger Anzahl zur Verfügung stehen.«
»Der unter deine Hand gegeben ist«, erwiderte Joseph gemessen, »ist selbst solcher Herkunft, nämlich eines Herdenkönigs Kind vom oberen Retenu, wo es Kanaan heißt, und ist nur gestohlen hier hinab nach Ägyptenland.«
»Wozu sagst du mir das? Es steht ja im Brief. Und warum nennst du dich ein Kind statt zu sagen: ein Sohn? Es klingt nach Selbstverzärtelung und Eigenminne und steht einem Abgeurteilten nicht an, auch wenn sein Vergehen nicht ehrrühriger Art ist, sondern auf zartem Gebiete liegt. Du scheinst zu fürchten, daß ich dich, weil du ursprünglich vom elenden Zahi bist, vor die schwersten Klötze spannen werde, bis dir der Schweiß zurücktritt und du eines trockenen Todes stirbst. Das ist ein so vorwitziger wie ungeschickter Versuch, meine Gedanken zu denken. Ich wäre ein schlechter Gefängnis-Amtmann, wenn ich nicht einen Jeden nach seinen Gaben und nach seinen Erfahrungen zu verwenden und anzustellen wüßte. Deine Antworten lassen recht wohl erkennen, daß du einmal über dem Haus eines Großen warst und etwas verstehst von der Industrie. Auch daß du es tunlichst vermeiden möchtest, daß Leute sich überziehen, selbst wenn es nicht Kinder – ich meine: Söhne des Chapi sind und der Schwarzen Erde, ist meinen eigenen Wünschen nicht geradezu entgegen und zeugt von ökonomischem Denken. Ich werde dich als Aufseher über eine Schar von Züchtlingen im Bruche beschäftigen oder auch im inneren Dienst und in der Schreiberei; denn gewiß kannst du geschwinder als andere ausrechnen, wieviel Malter Spelt in einem Speicher von der und der Größe Platz haben, oder wieviel Getreide verbraut ist zu der und der Menge Biers und wieviel verbacken zu so und so viel Broten, daß man den Tauschwert von beiden ermittelt, und solche Sachen. – Es wäre recht wünschenswert«, fügte er erläuternd gegen den Öffner von Wepwawets Mund hinzu, »daß mir in diesen Richtungen eine Entlastung zuteil würde, so daß ich mich nicht jedes Dinges anzunehmen brauchte und mehr Muße gewönne zu meinen Versuchen, das Abenteuer von den drei Liebschaften, die ein und dieselbe sind, auf eine erfreuliche und vielleicht sogar erregende Weise zu Papier zu bringen. – Ihr Leute von Wêse«, sagte er zu Josephs Begleitern, »könnt euch nun trollen und die Rückfahrt antreten gegen den Strom, aber mit Nordwind. Euren Strick nehmt nur auch wieder mit, nebst meinen Empfehlungen an Pharao’s Freund, euren Herrn! – Memi!« befahl er schließlich dem Keulenträger, der die Kömmlinge hierher geführt, »weise diesem Königssklaven, der Fron leisten wird als Verwaltungsgehilfe, ein Gelaß an zum Einzel-Obdach und gib ihm ein Obergewand und einen Stab in die Hand zum Zeichen der Aufseherschaft. So hoch er schon stand, er hat sich herunter bringen lassen zu uns und wird sich der ehernen Zucht zu fügen haben von Zawi-Rê.
Was er aber mitbringt an Hochstand, werden wir unerbittlich ausnutzen, wie wir die Leibeskräfte ausnutzen der Tiefstehenden. Denn nicht ihm gehört es mehr, sondern Pharao. Gib ihm zu essen! – Auf nächstens, mein Vater«, verabschiedete er sich von dem Hausbetreter und wandte sich zurück gegen seinen Turm.
Und dies war Josephs erste Begegnung mit Mai-Sachme, dem Amtmann über das Gefängnis.
Von Güte und Klugheit
Nun seid ihr getröstet, wie Joseph es war, über die Sonderart des Kerkermeisters, unter dessen Hand ihn sein Herr gegeben hatte. Es war ein eigentümlich ansprechend temperierter Mann, in seiner Eintönigkeit, und nicht umsonst hat die alles ableuchtende Erzählung es im Vorigen so wenig eilig gehabt, ihren Lichtkegel von seiner ein für allemal gedrungenen Gestalt wieder wegzuheben, sondern ihn lange genug auf ihr ruhen lassen, daß ihr Muße hattet, euch seine bisher so gut wie unbekannte Menschlichkeit einzuprägen; denn eine nicht unbedeutende Rolle und Dienstverrichtung war ihm, wie ebenfalls nahezu unbekannt, noch vorbehalten in der Geschichte, die sich hier in aller Richtigkeit, so, wie sie sich in Wirklichkeit zugetragen, wieder abspielt. Nachdem nämlich Mai-Sachme einige Jahre über Joseph gestanden als sein Fronvogt, sollte er noch lange Zeit neben ihm stehen an seiner Seite und teilhaben an der Fest-Regie heiterer und großer Ereignisse, zu deren genauer und würdiger Schilderung die Muse
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