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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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uns stärken möge.
    Dies eben nur vorläufig. Wenn aber die Überlieferung auf den Amtmann über das Gefängnis dieselbe Formel anwendet wie auf Potiphar, nämlich, daß er sich »keines Dinges angenommen« habe, sodaß bald alles, was in dem Loche geschah, durch Joseph habe geschehen müssen, so ist das recht zu verstehen und hat eine ganz andere Meinung, als im Falle des Sonnenhöflings und heiligen Fleischesturms, der sich darum keines Dinges annahm, weil er in seiner titulären Uneigentlichkeit außerhalb der Menschheit stand und in der ausgangslosen Geschlossenheit seines Daseins allem Wirklichen fremd war und reine Förmlichkeit seine Sache nannte. Mai-Sachme dagegen war ein durchaus zuständiger Mann, der sich mit Wärme, wenn auch sehr ruhig, einer Menge Dinge, namentlich aber der Menschen annahm; denn er war ein eifriger Arzt, der jeden Tag früh aufstand, um zu besehen, was aus dem After der kranken Soldaten und Züchtlinge abgegangen war, die in dem Revierschuppen gelagert waren; und sein an gesicherter Stelle gelegenes Dienstzimmer im Zitadellenturm von Zawi-Rê war ein rechtes Laboratorium von Stampf- und Reibegeräten, Herbarien, Phiolen und Salbentiegeln, Schläuchen, Destillierkolben und Verdampfungsbecken, wo der Hauptmann, mit demselben, schläfrig-klug blickenden Gesicht, mit dem er bei Josephs Aufnahme die Geschichte von den drei Liebschaften erzählt hatte, zum Teil an der Hand des Buches »Zum Nutzen der Menschen« und anderer Lehrwerke alter Erfahrung, seine Mittel zur Ausschwemmung des Bauches, seine Sude, Pillen und Umschlagbreie gegen Harnverhaltung, Nackengeschwülste, Rückgratversteifung und Hitze des Herzens bereitete, wo er aber auch lesend und denkend solchen allgemeinen, die Einzelfälle überwölbenden Problemen nachsann, wie dem, ob die Zahl der paarweise vom Herzen zu den einzelnen Gliedern des menschlichen Körpers laufenden Gefäße, die so sehr zur Verstopfung, Verhärtung und Entzündung neigten und häufig die Arznei nicht aufnehmen wollten, wirklich nur zweiundzwanzig oder eigentlich, wie er mehr und mehr anzunehmen geneigt war, volle sechsundvierzig betrug; ferner ob die Würmer im Leibe, zu deren Tötung er seine Latwergen ausprobierte, die Ursache bestimmter Krankheiten oder, richtiger betrachtet, ihre Folge seien, insofern, als durch die Verstopfung eines oder mehrerer Gefäße sich eine Geschwulst bilde, der kein Weg zum Abgange sich eröffne, sodaß sie verfaule und sich dabei, wie nicht anders zu erwarten, in Würmer verwandle.
    Es war recht gut, daß der Hauptmann sich dieser Dinge annahm, denn obgleich sie seinem Brettspiel-Partner, dem Wepwawet-Priester, amtlich nähergelegen hätten als ihm, dem Soldaten, so reichten dessen Kenntnisse auf dem Gebiete der Körpernatur doch nicht zu viel mehr als zur Beschauung und gottgefälligen Schlachtung der Opfertiere, und seine Heilmethoden waren immer allzu einseitig auf Zauberei und Sprüche-Wesen ausgerichtet gewesen, ein zwar notwendiges Element, insofern die Erkrankung eines Organs, sei es der Milz oder des Rückgrats, unstreitig auch darauf zurückzuführen war, daß seine besondere Schutzgottheit diesen Körperteil gern oder ungern verlassen und einem feindlichen Dämon das Feld geräumt hatte, der nun darin sein zerrüttendes Wesen trieb und durch treffende Beschwörung zum Auszuge genötigt werden mußte. Dabei hatte der Hausbetreter mit einer Brillenschlange, die er in einem Korbe aufbewahrte und die er durch Druck in den Nacken in einen Zauberstab verwandeln konnte, gewisse Erfolge, die auch Mai-Sachme bestimmten, sich das Tier zuweilen von ihm auszuleihen. Im ganzen aber war dieser der erprobten Überzeugung, daß die Magie ganz für sich und in reiner Absonderung selten durchzugreifen vermöge, sondern eines stofflichen Anhaltes profaner Kenntnisse und Mittel bedürfe, um in ihn einzugehen, ihn zu durchdringen und durch ihn zur Wirkung zu gelangen. So hatten gegen das Übermaß der Flöhe, unter dem zu Zawi-Rê jedermann litt, die Sprüche des Gottespflegers niemals oder doch nur so vorübergehend, daß die Erleichterung auch auf Täuschung beruhen konnte, etwas ausgerichtet; und erst als Mai-Sachme, allerdings unter Beigabe von Sprüchen, viel Natronwasser hatte aussprengen und außerdem überall Holzkohle, mit der zerriebenen Pflanze Bebet gemischt, hatte streuen lassen, nahm die Plage ab. Er war es auch, der das Belegen der Speisen-Vorräte in den Magazinen mit Katzenfett veranlaßt hatte, nämlich gegen die

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