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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Natürliches sei und niemand darüber erstaunt sein könne. Erst danach, ganz allmählich und zu meiner kalten Enttäuschung ernüchterte ich mich zu der Einsicht, daß auch die Verwirklichung dessen, was mir schon so wirklich geschienen hatte, eitel Wahn und der Lage der Dinge nach völlig unmöglich sei. Denn ich war ja nichts als ein Schuljunge, der geklopft wurde wie Papyrus, erst ganz am Anfange meiner Laufbahn als Schreiber und Offizier, dazu klein und dick nach meiner Constitution für dieses und jenes Leben, und meine Verlobung mit Nechbet, die wohl drei Jahre älter war als ich und sich jeden Tag einem mich weit überragenden Manne in Amt und Würden vermählen konnte, stellte sich mir bei verfliegendem Traumglück als ein Ding der Lächerlichkeit heraus.«
    »Also entsagte ich«, fuhr der Amtmann ruhig zu erzählen fort, »einem Gedanken, der mir nicht gekommen wäre, wenn er sich mir nicht traumweise in schöner Wirklichkeit dargestellt hätte, und tat weiter meinen Lerndienst im Unterrichtshause der Ställe, häufig ermahnt durch Schläge auf den Rücken. Zwanzig Jahre später, als ich schon längst zu einem Befehlsschreiber aufgerückt war des siegreichen Heeres, wurde ich mit drei Gefährten auf eine Reise geschickt nach Syrien, ins elende Cher zur Musterung und Aushebung eines Pferdetributes, der in Lastschiffen sollte hinabgesandt werden in Pharao’s Ställe. Da kam ich vom Hafen Chazati nach dem niedergeworfenen Sekmem und nach einer Stadt, die, wenn ich mich recht erinnere, Per-Schean heißt, wo eine Besatzung der Unsrigen lag, deren Oberster aus Landsleuten und Remonte-Schreibern eine Geselligkeit gab und eine Abendfeier mit Wein und Kränzen in seinem schöntürigen Hause. Es waren Ägypter da und Edle der Stadt, so Männer wie Frauen. Da sah ich ein Mädchen, das eine Verwandte dieses ägyptischen Hauses war, vonseiten der Hausfrau, denn ihre Mutter war deren Schwester, und war dorthin zu Besuch gekommen mit Dienern und Dienerinnen von weither aus Ober-Ägypten, wo ihre Eltern lebten, in der Gegend des ersten Katarakts. Denn ihr Vater war ein sehr reicher Tauschherr von Suenêt, der die Waren des elenden Kasi, Elfenbein, Leopardenfelle und Ebenholz auf die Märkte Ägyptens warf. Als ich nun dieses Mädchen sah, die Tochter des Elfenbeinhändlers, in ihrer Jugend, da geschah mir zum zweiten Mal in meinem Leben, was mir zuerst so viele Jahre früher im Unterrichtshause der Knaben geschehen war, nämlich daß ich die Augen nicht von ihr lassen konnte, weil sie ausnehmenden Eindruck ausübte auf mein Gemüt, und mit erstaunlicher Genauigkeit kehrte mir der Glücksgeschmack wieder jenes längst verwehten Verlobungstraums, also daß sich mir auf akkurat dieselbe Weise die Eingeweide aufhoben vor Freude bei ihrem Anblick. Aber ich scheute mich vor ihr, obgleich ein Soldat sich nicht scheuen soll, und trug eine längere Zeit sogar Scheu, mich nach ihr zu erkundigen, nach ihrem Namen und wer sie sei.
    Als ich es aber tat, da erfuhr ich, daß sie die Tochter Nechbets sei, der Tochter des Amenmose, welche ganz kurze Zeit, nachdem ich sie gesehen und mich ihr im Traume verlobt hatte, die Frau des Elfenbeinhändlers von Suenêt geworden war. Es hatte aber das Mädchen Nofrurê – so hieß sie – gar keine Ähnlichkeit mit der Mutter nach ihren Zügen, noch der Farbe ihrer Flechten und Haut, da sie im Ganzen entschieden dunkler getönt war als jene. Höchstens nach der lieblichen Figur glich sie der Nechbet; aber wieviele Jungfrauen haben nicht eine solche Gestalt! Dennoch erregte ihr Anblick mir sofort dieselben tiefgreifenden Gefühle, die ich damals erprobt und seitdem nicht gekannt hatte, sodaß sich wohl sagen läßt, ich hätte sie schon geliebt in der Mutter, wie ich die Mutter wiederliebte in ihr. Sogar halte ich es für möglich und erwarte es gewissermaßen, daß, wenn ich nach abermals zwanzig Jahren durch Zufall der Tochter Nofrurê's begegne, ohne es zu wissen, unweigerlich wieder mein Herz ihr zufallen wird, wie schon der Mutter und Großmutter und wird immer und ewiglich dieselbe Liebe sein.«
    »Das ist wirklich ein merkwürdiges Herzensvorkommnis«, sagte der Hausbetreter, indem er über die Seltsamkeit, daß der Hauptmann hier diese Geschichte mit soviel Ruhe und Eintönigkeit zum Besten gab, gleichsam schonend hinwegging. »Wenn aber die Tochter des Elfenbeinhändlers wieder eine Tochter haben sollte, so wäre zu bedauern, daß sie nicht dein Kind wäre, denn wenn auch dein Knabentraum

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