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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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auf dem Büchersack nicht Wirklichkeit gewinnen konnte, so hätte, bei Nechbets Wiederkehr oder der Wiederkehr deiner Neigung zu ihr, doch die Wirklichkeit in ihre Rechte treten mögen.«
    »Nicht doch«, erwiderte Mai-Sachme kopfschüttelnd. »Ein so reiches und schönes Mädchen und ein Remonte-Schreiber gedrungener Constitution, wie reimte sich das wohl zusammen? Die hat einen Gau-Baron geheiratet oder Einen, der unter Pharao’s Füßen steht, einen Vorsteher des Schatzhauses mit einem Kragen Lobgoldes um den Hals, das laßt nur gut sein. Vergeßt auch nicht, daß man zu einem Mädchen, dessen Mutter man schon geliebt hat, gewissermaßen in einem väterlichen Verhältnis steht, sodaß sich der ehelichen Verbindung mit ihr innere Bedenken entgegenstellen. Außerdem wurden Gedanken, wie ihr sie andeutet, bei mir in den Hintergrund gedrängt durch das, was ihr die Merkwürdigkeit des Vorkommnisses nennt. Die Betrachtung dieser Merkwürdigkeit ließ mich nicht zu Entschlüssen kommen, die zur Folge gehabt hätten, daß das Enkelkind meiner ersten Liebe mein eigen Kind geworden wäre. Und wäre das auch unbedingt wünschenswert gewesen? Es hätte mich um die Erwartung gebracht, in der ich nun lebe, daß ich nämlich eines Tages, ohne es zu wissen, der Tochter Nofrurê's und Enkelin Nechbets begegne, und daß auch sie mich wieder so wundersam beeindruckt. So bleibt mir möglicherweise auch für meine älteren Tage noch etwas zu hoffen übrig, während im anderen Falle die Reihe meiner wiederkehrenden Herzenserfahrungen vielleicht vorzeitig abgeschlossen worden wäre.«
    »Das mag sein«, stimmte der Gottespfleger zögernd zu. »Das Wenigste aber, was du tun könntest, ist, daß du die Geschichte von Mutter und Tochter oder deiner Geschichte mit ihnen zu Papier brächtest und ihr mit der Binse eine liebliche Form gäbest zur Bereicherung unseres erfreulichen Schrifttums. Die dritte Erscheinung der Gestalt und deine Liebe zu ihr könntest du meiner Meinung nach aus freier Erfindung gleich hinzufügen und es so darstellen, als ob auch sie sich schon ereignet hätte.«
    »Ansätze dazu«, versetzte der Hauptmann gelassenen Mundes, »sind gemacht worden, und daß ich mich im Gespräch so flüssig über das Vorkommnis äußern kann, erklärt sich eben daraus, daß schriftliche Vorarbeiten bereits vorangegangen sind. Die Schwierigkeit besteht nur darin, daß ich, um die Begegnung mit Beti’s Enkelin mitaufzunehmen, den Zeitpunkt meines Schreibens ins Zukünftige verlegen und mich dabei in mein höheres Alter versetzen müßte, was eine Anstrengung ist, vor der ich zurückschrecke, obgleich ein Soldat vor keiner Anstrengung zurückschrecken sollte. Hauptsächlich aber zweifle ich, ob ich nicht zu ruhig bin, um der Erzählung die erregenden Wirkungen einzuverleiben, die beispielsweise der musterhaften Geschichte von den Zwei Brüdern eigen sind. Um es aber darauf ankommen zu lassen, den Vorwurf zu verpfuschen, dazu ist er mir allzu teuer. – Augenblicklich«, brach er tadelnd ab, »findet hier übrigens eine Vorführung und Aufnahme statt. Wieviel Lasttiere«, fragte er, indem er sich möglichst von oben herab an Joseph wandte, »braucht man wohl, deiner Meinung nach, um fünfhundert Steinhauern und Schleppern im Bruche nebst ihren Offizieren und Aufsehern die Nahrung zuzuführen?«
    »Zwölf Ochsen und fünfzig Esel«, antwortete Joseph, »mögen dafür die rechte Anzahl sein.«
    »Allenfalls. Und wieviel Mann würdest du wohl an die Seile beordern, wenn es einen Block von vier Ellen Länge und zwei Ellen Breite, der eine Elle hoch ist, fünf Meilen weit zum Flusse zu schleppen gilt?«
    »Mit den Wegbereitern und den Trägern des Wassers zur Befeuchtung der Straße unter der Schleife und den Trägern des Rundbalkens, den man dann und wann unterlegen muß«, erwiderte Joseph, »würde ich gut und gern hundert Mann dazu anstellen.«
    »Warum so viele?«
    »Es ist ein beschwerlicher Klotz«, antwortete Joseph, »und wenn man schon nicht Ochsen vorspannen will, sondern Menschen, weil sie billiger sind, so sollte man ihrer eine ausreichende Zahl dazu befehlen, daß mittenwegs ein Zugtrupp den anderen ablösen kann an den Seilen und man nicht Todesfälle zu verzeichnen hat unter der Mannschaft infolge zurückgetretenen Schweißes, oder doch etliche sich innerlich überziehen und ihnen der Odem stockt, sodaß man Marode hat, die sich winden und wälzen.«
    »Das ist allerdings besser zu vermeiden. Du vergißt aber, daß wir nicht

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