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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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ein Knabe klatschte er in die Hände.
    »Eje«, rief er mit verkürztem Atem dem hereinbuckelnden Kämmerling zu, »wir reisen! Pharao und der ganze Hof kehren noch heute nach Novet-Amun zurück! Sputet euch, es ist schöner Befehl! Macht gleich meine Barke ›Stern beider Länder‹ bereit, auf der ich reisen will mit der Ewigen Mutter, der Süßen Gemahlin und diesem Erwählten, dem Adôn meines Hauses, der fortan in Ägyptenland sein wird wie ich. Erzähl es den anderen! Es gibt eine große Vergoldung!«
    Der Bückling hatte zwar am Vorhang geklebt und gehorcht, doch seinen Ohren nicht trauen mögen. Nun mußte er ihnen trauen, und daß er da zerschmolz und wie ein Kätzchen schmachtete und vor Entzücken all seine Fingerspitzen küßte, – das läßt sich denken.

VIERTES HAUPTSTÜCK
    DIE ZEIT DER ERLAUBNISSE
    Sieben oder fünf
    Nur gut, daß nun das Gespräch zwischen Pharao und Joseph, das zur Erhöhung des Verstorbenen führte, so daß er groß gemacht war im Westen, – daß dieses berühmte und dabei fast unbekannte Gespräch, welches die anwesende Große Mutter nicht mit Unrecht als ein Gottes- und Göttergespräch bezeichnete, nun von Anfang bis zu Ende, nach allen seinen Windungen, Wendungen und konversationellen Zwischenfällen wiederhergestellt und für immer in aller Genauigkeit festgehalten ist, so daß jeder den Gang verfolgen kann, den es seinerzeit in Wirklichkeit nahm, und, wenn er einen Punkt vergessen hat, nur aufzuschlagen und das Entfallene nachzulesen braucht. Der Lakonismus des bisher davon Überlieferten geht bis zu ehrwürdiger Unwahrscheinlichkeit. Daß nach Josephs Traumdeutung und seinem Ratschlag an den König, sich nach einem verständigen und weisen Mann, einem Mann der Vorsorge umzusehen, Pharao ohne Weiteres geantwortet habe: »Keiner ist so verständig und weise wie du; dich will ich über ganz Ägyptenland setzen!« und ihn in wahrhaft enthusiastischer – man kann schon sagen: zügelloser Weise mit Ehren und Würden überschüttet habe, – das schien uns immer der Abkürzung, Aussparung und Eintrocknung zuviel: wie ein ausgenommener, gesalzener und gewickelter Überrest der Wahrheit erschien es uns, nicht wie ihre Lebensgestalt; zuviele Begründungsglieder für Pharao’s Begeisterung und ausgelassene Gnade schienen uns darin zu fehlen, und als wir, die Scheu unseres Fleisches überwindend, uns für die Höllenfahrt stark machten durch die Schlucht der Jahrtausende hinab zur Brunnenwiese von Josephs Gegenwart, da war es unser Vorsatz vor allem, dies Gespräch zu belauschen und es heraufzubringen in allen seinen Gliedern, wie es sich damals zu On in Unter-Ägypten wirklich begeben.
    Wohl verstanden, wir haben nichts gegen die Aussparung. Sie ist wohltätig und notwendig, denn es ist auf die Dauer völlig unmöglich, das Leben zu erzählen, so, wie es sich einstmals selber erzählte. Wohin sollte das führen? Es führte ins Unendliche und ginge über Menschenkraft. Wer es sich in den Kopf setzte, würde nicht nur nie fertig, sondern erstickte schon in den Anfängen, umgarnt vom Wahnsinn der Genauigkeit. Beim schönen Fest der Erzählung und Wiedererweckung spielt die Aussparung eine wichtige und unentbehrliche Rolle. Weislich üben auch wir sie auf Schritt und Tritt; denn es ist unsere vernünftige Absicht, fertig zu werden mit einer Besorgung, die ohnehin mit dem Versuch, das Meer auszutrinken, eine entfernte Ähnlichkeit hat, aber nicht bis zu der Narrheit getrieben werden darf, wirklich und buchstäblich das Meer der Genauigkeit austrinken zu wollen.
    Was wäre aus uns geworden ohne Aussparung, als Jaakob diente bei Laban, dem Teufel, sieben und dreizehn und fünf, kurz: fünfundzwanzig Jahre lang, – von denen jedes winzigste Zeitelement ausgefüllt war mit genauem, im Grunde erzählenswertem Leben? Und was sollte jetzt aus uns werden ohne jenes vernünftige Prinzip, da unser Schifflein, vom mäßig gehenden Strom der Erzählung dahingetrieben, wieder einmal an dem Rand eines Zeit-Katarakts bebt von sieben und sieben geweissagten Jahren? Unter uns und im voraus gesagt: es war nicht ganz so schlimm und schön mit dieser Anzahl, wie die Weissagung es wollte. Diese erfüllte sich – da ist freilich kein Zweifel. Aber sie erfüllte sich in lebendiger Ungenauigkeit und nicht abgezählt-wörtlich. Leben und Wirklichkeit behaupten stets eine gewisse Selbständigkeit, manchmal so weitgehend, daß man diese kaum oder gerade eben noch in ihnen wiedererkennt. Selbstverständlich ist

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