Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
ökonomischer Irrtum, zu glauben, daß ein noch so reichliches Vorhandensein von Gold seinen Wert mindere.
Ja, es war ein bedeutend schöner Tag voll weltlichen Segens für den Entrückten, von den Seinen Gesonderten, und man hätte nur gewünscht, daß Jaakob, sein alter Vater, gewiß mit einer Mischung aus Bedenken und Stolz, in der aber doch der Stolz überwogen haben würde, dem allen hätte zusehen können. Auch Joseph wünschte es; denn später sagte er: »Erzählt dem Vater von meiner Herrlichkeit!« – Auch ein Handschreiben erhielt er von Pharao, das dieser natürlich nicht selbst geschrieben, aber doch von dem »Wirklichen Schreiber«, seinem Geheimen Kabinettssekretär, nach seiner Anweisung hatte schreiben lassen, und das zwar etwas steif, aber als kalligraphisches Produkt geradezu entzückend und nach seinem Inhalt höchst gnädig war. Es lautete:
»Befehl des Königs an Osarsiph, den Vorsteher dessen, was der Himmel gibt, die Erde erzeugt und der Nil hervorbringt, den Vorsteher von allen Dingen im ganzen Lande und Wirklichen Vorsteher der Aufträge! Meine Majestät hat die Worte sehr gern gehört, die du wenige Tage vor diesem, in dem Gespräch, das der König zu On in Unter-Ägypten mit dir abzuhalten geruhte, über himmlische und irdische Dinge geäußert hast. Du hast an diesem schönen Tage das Herz des Nefer-cheperu-Rê wirklich erfreut mit dem, was er wirklich liebt. Meine Majestät hat diese Worte außerordentlich gern von dir vernommen, denn indem du darin das Himmlische mit dem Irdischen verbandest, hast du durch deine Fürsorge für dieses zugleich große Fürsorge für jenes getroffen und außerdem zur Verbesserung beigetragen der Lehre von Meinem Vater im Himmel. Wahrlich, du verstehst es zu sagen, was Meine Majestät außerordentlich gern hat, und was du sagst, macht Mein Herz lachen. Meine Majestät weiß auch, daß du alles sagst, was Meine Majestät gern hat. O Usarsiph, Ich sage unendlich oft zu dir: Du Geliebter seines Herrn! Belohnter seines Herrn! Liebling und Eingeweihter seines Herrn! Wahrlich, der Herr des Atôn liebt Mich, weil er dich Mir gegeben hat. So wahr Nefer-cheperu-Rê ewig lebt: wann immer du einen Wunsch, sei es brieflich, sei es mündlich, zu Meiner Majestät äußerst, so wird Meine Majestät ihn sofort erfüllen lassen.«
Und in Vorwegnahme eines solchen Wunsches, des allervordringlichsten nach den Begriffen des Landes, schloß das Schreiben mit der Benachrichtigung, Pharao habe Weisung gegeben, daß sogleich mit der Aushöhlung und malerischen wie architektonischen Ausschmückung einer Ewigen Wohnung, will sagen eines Grabes für Joseph in den westlichen Bergen begonnen werde.
Nachdem der Erhöhte dieses Papier gelesen, fand in der großen Säulenhalle, die hinter dem Erscheinungsfenster lag, vor versammeltem Hofstaat die große Förmlichkeit der Investitur statt, bei der Pharao zu dem Ring der Bevollmächtigung, den er ihm schon übermacht, und zu all dem Golde, das er ihm schon gespendet, seinem Günstling noch eine besonders schwere goldene Gnadenkette über sein makelloses Hofkleid hing, welches natürlich nicht aus Seide, wie aus Unkenntnis der Dinge wohl angegeben wird, sondern aus feinstem Königsleinen war, und außerdem von dem Wesir des Südens die gewaltige Titulatur verlesen ließ, die er für Joseph festgesetzt hatte, und mit der hinfort dessen Totenname sollte überkleidet sein. Wir kennen die meisten dieser Vergoldungen schon aus Pharao’s geäußerten Vorsätzen und Ankündigungen und aus dem Ehrenschreiben, dessen Anreden, wie »Vorsteher dessen, was der Himmel gibt etc.«, amtlich waren. Unter den anderen waren »Schattenspender des Königs«, »Freund der Ernte Gottes« und »Nahrung Ägyptens« (»Ka-ne-Kême« in der Landessprache) wohl die eindrucksvollsten. »Groß-Wesir«, obgleich unerhört, und » Alleiniger Freund des Königs« (zum Unterschied von den »Einzigen«) wirkten beinahe blaß dagegen. Aber es hatte bei alledem sein Bewenden nicht, denn Pharao wollt’ es nun einmal übertreiben. Joseph hieß »Adôn des königlichen Hauses« und »Adôn über ganz Ägyptenland«. Er hieß »Oberster Mund«, »Fürst der Vermittlung«, »Mehrer der Lehre«, »Guter Hirte des Volks«, »Doppelgänger des Königs« und »Vice-Horus«. Es hatte dergleichen überhaupt noch nicht gegeben, die Zukunft hat es auch nie wiederholt, und eben wohl nur unter der Herrschaft eines so impulswilligen und zu schwärmerischen Entschlüssen geneigten jungen
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