Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
Brüderchen rechter Hand, im Haarhelm, dem er Träume erzählte; auf einem Erntefeld zwischendurch unterm Schattentuch, mit Gesellen, die er ebenfalls Träume wissen ließ, die ihm geträumt; zu Dotan im Tale auch bei einem Brunnen, wo er nicht sänftiglich anlangte. Er hatte in dieser Abwesenheit fast ein Blinzeln und Augenzwinkern übersehen, das ihm aus der Umringung geschah, und dessen Abweisung den, der es anbot, in große Sorge versetzt haben würde.
Unter den Glückwünschenden nämlich war auch Nefer-em-Wêse, der einst gegenteilig geheißen hatte, der Meister vom Kranze. Man kann es ihm nachfühlen, wie betreten und ganz verwirrt vom Spiel des Lebens der Dicke war, als er seinem jungen Aufwärter in schlimmer Zeit unter so ungeahnten, so unglaubwürdig veränderten Umständen seine Glückwünsche darbrachte. Er durfte hoffen, daß der neue Günstling ihm freundlich gesinnt sei und nicht »gegen ihn reden« werde, da er ihm, Nefer, ja seine Berufung und seine große Gelegenheit verdankte. Aber diese Hoffnung wurde etwas eingeschränkt durch das Bewußtsein, daß er erst so spät mit dem Finger auf ihn gewiesen und, ganz nach der Prophezeiung, seiner erst dann gedacht hatte, als er mit der Nase gestoßen war auf sein Andenken. Außerdem war er nicht sicher, ob jener nicht vielleicht ebenso wenig an das Gefängnis erinnert zu werden wünschte wie er selber; und so beschränkte er sich darauf, bei der Gratulation in behutsamer Vertraulichkeit ein Auge zuzukneifen, was alles Mögliche bedeuten konnte, und hatte die Genugtuung, daß der Adôn dies Blinzeln erwiderte.
Hier nun, anläßlich der Wiederbegegnung, die die Gedanken auf eine andere, mögliche und sogar pikantere lenken konnte, ist ein Schweigen zu bestätigen und für gerecht zu erklären, das nicht alle Fassungen und Bearbeitungen von Josephs Geschichte zu wahren gewußt haben. Es betrifft Potiphar oder Putiphera, richtiger Peteprê, den großen Hämling, Josephs Käufer, seinen Herrn und Richter, der ihn mit Wohlwollen ins Gefängnis warf. War auch er bei seiner Vergoldung und Umringung zugegen und huldigte auch er ihm bei Hof – vielleicht, indem er ihm die Anerkennung eines Mannes ausdrückte, der, selbst einer Sache nicht mächtig, es sehr zu schätzen weiß, daß ein anderer auf sie Verzicht leistete, der ihrer sehr wohl mächtig gewesen wäre? Es hätte seine Reize, ein solches Wiedersehen auszumalen; aber es gibt hier nichts auszumalen, denn nichts dergleichen fiel vor. Das beklemmend schöne Motiv des Wiedersehens spielt eine triumphierende Rolle in unserer Geschichte, und viel Wundervoll-Diesbezügliches steht uns bevor, das wir kaum erwarten können. Hier jedoch verstummt dies Motiv, und das Verstummen der dem Abendland maßgeblich gewordenen Darstellung, in diesem Teil der Erzählung, über den Sonnen-Kämmerer und besonders auch über sein Ehren-Weib Mut-em-enet, die Bedauernswerte, – dies Verstummen ist keine Aussparung, – oder doch nur insofern, als eine Negation ausgespart ist: die ausdrückliche Feststellung, daß etwas nicht geschehen sei, nämlich daß Joseph nach seiner Entfernung aus dem Hause des Höflings weder dem Herrn noch der Herrin wiederbegegnete.
Das Volk und ihm zu Gefallen die Dichter, ein allzu gefälliges Geschlecht, haben die Geschichte von Joseph und Potiphars Weib, eine Episode, wenn auch eine sehr schwerwiegende, im Leben des Sohnes Jaakobs, verschiedentlichst ausgesponnen, haben ihr, die doch mit der Katastrophe gründlich abgeschlossen war, gefühlvolle Fortsetzungen gegeben und ihr innerhalb des Ganzen eine überherrschende Stellung gegeben, so daß aus diesem unter ihren Händen ein reichlich verzuckerter Roman mit glücklichem Ausgang wird. Ginge es nach diesen Poesien, so hätte die Versucherin, die »Suleicha« zu heißen pflegt, worüber allein schon man nur die Achseln zucken kann, sich, nachdem sie Joseph ins Gefängnis gebracht, voller Reue in eine »Hütte« zurückgezogen und nur noch der Abbüßung ihrer Sünden gelebt, worüber sie durch den Tod ihres Gatten zur Witwe geworden wäre. Als aber »Jussuf« (womit Joseph gemeint ist) aus dem Gefängnis befreit werden sollte, da hätte er nicht gewollt, daß man ihm »die Ketten« abnähme, bevor nicht sämtliche vornehme Frauen des Landes vor Pharao’s Thron für seine Unschuld gezeugt hätten. Demgemäß wäre wirklich der ganze weibliche Adel Ägyptens vor diesem Thron versammelt worden, und auch »Suleicha« hätte aus ihrer Bußhütte sich
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