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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Herrschers konnte es Ereignis werden. Ein Titel noch kam hinzu, der aber schon mehr ein Eigenname und bestimmt war, Josephs Totennamen nicht sowohl zuzudecken als zu ersetzen. Die Nachwelt hat viel daran herumgedeutelt, und auch die ehrwürdigste Überlieferung gibt eine unzulängliche, ja mißverständliche Verdolmetschung. Es heißt, Pharao habe Joseph den »Heimlichen Rat« genannt. Das ist eine unkundige Übertragung. In unserer Schrift würde der Name sich ausgenommen haben wie: Dje-p-nute-ef-ônch, was die behenden Münder der Kinder Ägyptens wie »Djepnuteefonech«, mit einem gaumigen ch-Laut am Ende, sprachen. Der hervorstechendste Bestandteil dieser Verbindung ist ônch oder onech, das Wort, für das im Bilde das Schleifenkreuz steht, welches »Leben« bedeutet, und das die Götter den Menschen, besonders ihren Söhnen, den Königen, unter die Nase hielten, damit sie Atem hatten. Der Name, den Joseph da zu seinen vielen Titeln erhielt, war ein Name des Lebens. Er bedeutete: »Es spricht der Gott (Atôn, man brauchte ihn nicht zu nennen): ›Leben sei mit dir!‹« Aber das war noch nicht sein voller Sinn. Er meinte für jedes Ohr, das ihn damals aufnahm, nicht nur: »Lebe du selber«, sondern auch: »Sei ein Lebensbringer, verbreite Leben, gib Lebensnahrung den Vielen!« Mit einem Worte: es war ein Sättigungsname; denn zum Herrn der Sättigung war Joseph ja vor allem erhoben worden. Alle seine Titel und Namen, soweit sie sich nicht auf sein Verhältnis zu Pharao persönlich bezogen, hatten auf irgendeine Weise die Erhaltung des Lebens, die Speisung der Länder zum Inhalt, und alle, samt diesem vorzüglichen und vielumstrittenen, konnte man zusammenfassen in den einen: »Der Ernährer«.
    Der versunkene Schatz
    Als Jaakobs Sohn diesen Namensbehang empfangen hatte, wurde er natürlich umringt, und was dabei an Süßlichkeit der Bewunderung und Beglückwünschung von den Schranzen geleistet wurde, das bleibe eurer eigenen Einbildungskraft überlassen. Es gibt eine Anlage des Menschen zur Begeisterung und zum Entzücken über die Launen der Willkür, über die unbegreifliche Erwählung, das ungeheure und jeder Rechenschaft überhobene »Ich gönne, wem ich gönne«, – die selbst den Neid außer Kraft setzt und die Liebedienerei geradezu aufrichtig macht. In Pharao’s Beweggründe für diese gewaltige Erhöhung und Einsetzung eines noch jugendlichen Fremden hatte niemand rechte Einsicht, aber jedermann verzichtete mit Wonne darauf. Zwar stand Wahrsagekunst in Ehren, und einiges war erklärt, wenn Joseph das Glück gehabt hätte, sich auf diesem Felde auszuzeichnen und die einheimische Höchstleistung zu schlagen. Ferner kannte man die Schwäche Pharao’s für Solche, die »auf seine Worte hörten«, das heißt: auf seine theologischen Ideen einzugehen und sich für »die Lehre« empfänglich zu erweisen verstanden, und wußte, daß er solchem Verständnis, ob es nun echt war oder geheuchelt, stets die weichste Dankbarkeit erwies. Auch hier mußte der Tausendsasa wohl vom Glück, allenfalls auch von irgendwelcher Erbweisheit und Vorschulung begünstigt gewesen sein. Aber so oder so: klar war vor allem, daß er sich in der Behandlung des Herrn als ein geriebener Kopf bewährt haben mußte, da er sich im Nu über sie alle hinausgeschwungen hatte; und vor der erfolgreichen Schlauheit, außer vor der großen Willkür, beugte man sich, buckelte und buhlte, kußhandelte, kratzfußte, scharwenzelte und flattierte rings um Joseph herum, daß es eine Art hatte. Ein Dichter unter den Freunden hatte sogar eine Lobeshymne auf ihn verfaßt, die er selber zu leiser Harfenbegleitung vortrug, und die so ging:
    »Du lebst, du bist heil, du bist gesund.
    Du bist nicht arm, du bist nicht elend.
    Du bleibst bestehen wie die Stunden.
    Deine Pläne bestehen, dein Leben ist lang.
    Deine Rede ist ausgesucht.
    Dein Auge sieht, was gut ist.
    Du hörst, was angenehm ist.
    Du siehst Gutes, du hörst Angenehmes.
    Du wirst gelobt inmitten der Räte.
    Du stehst fest und dein Feind fällt.
    Der gegen dich redet, ist nicht mehr.«
    Wir finden das mittelmäßig. Aber für die Leistung eines von ihnen fanden die Hofleute es recht gut.
    Joseph nahm das alles entgegen wie Einer, den keine Erhöhung überrascht, mit Ernst und einer Freundlichkeit, die durch Zerstreutheit leise ins Schmerzliche spielte. Denn seine Gedanken waren nicht hier in Pharao’s Saal. Bei einem härenen Hause waren sie auf fernen Höhen, im Hain des Herrn nahebei, mit dem

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