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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Erschrecken vorhanden, sondern einzig absolute Ruhe am Platze ist.«
    Sie tauschten diese Worte bei raschem Schritt, den der Gelassene zu hemmen suchte, in dem Peristyl, wo es zum Brunnenhof durchging. Aber Joseph trat mit Mai-Sachme, begleitet von Hepi und Hezes, in ein Zimmer zur Rechten mit bunter Decke, einem malachitenen Türsturz und heiteren Friesen oben und unten die Wände entlang, das ihm als Bibliothek diente und den großen Empfangssaal des Hauses von seinem Schlafzimmer trennte. Der Raum war mit aller Zierlichkeit Ägyptenlands eingerichtet. Es gab dort ein inkrustiertes Ruhebett, belegt mit Fellen und Kissen, reizende Truhen auf Beinen, geschnitzt, beschriftet und eingelegt, zur Verwahrung der Bücherrollen, löwenfüßige Stühle mit Rohrsitzen und Lehnen aus gepreßtem, vergoldetem Leder, Blumentische und Ständer mit Fayence-Vasen und irisierenden Glasgefäßen. – Joseph drückte den Arm des Haushalters, indem er hüpfend auf seinen Fußballen federte. Ihm waren die Augen feucht.
    »Mai«, rief er, unterdrückten Jubel, oder etwas wie Jubel, ein beklommen ausgelassenes Entzücken in der Stimme, »sie kommen, sie sind da, sie sind im Lande, sie haben die Feste Zel passiert, ich habe es gewußt, ich habe darauf gewartet, und nun glaub’ ich’s dennoch nicht, das Herz schlägt mir im Halse, und ich weiß vor Aufregung den Ort der Erde nicht, wo ich stehe ...«
    »Sei so gütig, Adôn, und tanze nicht mit mir gemäßigtem Manne, sondern mach dich mir deutlicher, wenn’s gefällig! Wer ist gekommen?«
    »Meine Brüder, Mai, meine Brüder!« rief Joseph und federte.
    »Deine Brüder? Die Reißenden, die dir das Kleid zerrissen, dich in die Grube warfen und dich in die Welt verkauften?« fragte der Hauptmann, dem sein Gebieter dies alles längst schon anvertraut hatte ...
    »Aber ja! Aber ja! Sie, denen ich all mein Glück und meine Größe hier unten verdanke!«
    »Nun, Adôn, das heißt die Dinge ein wenig kräftig zu ihren Gunsten drehen.«
    »Gott hat sie gedreht, mein Hausvogt! Gott hat sie zum Guten und zu jedermanns Gunsten gewendet, und man muß das Ergebnis ansehen, worauf er zielte. Ehe denn das Ergebnis vorhanden, ist nur die Tat und mag übel scheinen. Ist aber jenes da, muß man die Tat nach dem Ergebnis beurteilen.«
    »Das fragt sich denn doch, gnädiger Herr. Imhôtep der Weise wäre vielleicht anderer Meinung gewesen. Und deinem Vater haben sie das Blut des Tieres für deines geboten.«
    »Ja, das war gräßlich. Bestimmt ist er auf den Rücken gefallen. Aber es mußte wohl sein, mein Freund, es ging nicht anders, weil es so damals nicht weiter ging. Denn mein Vater, groß und weich von Gemüt – und dazu ich, – was für ein Grünschnabel war ich! Ein unsäglicher Grünschnabel, voll sträflichem Vertrauen und blinder Zumutung. Es ist eine Schande, wie spät manche Leute zur Reife gelangen! Gesetzt, daß ich reif bin jetzt. Vielleicht braucht es zum Reifwerden das ganze Leben.«
    »Es könnte sein, Adôn, daß du immer noch viel vom Knaben hast. Und du bist sicher, daß es in der Tat deine Brüder sind?«
    »Sicher? Da kann nicht der leiseste Zweifel walten! Habe ich umsonst so strikte Weisung gegeben wegen des Protokolls und des Rapportes wegen? Das habe ich nicht umsonst getan, denn mit Manasse, mußt du wissen, und daß wir unseren Ältesten so benannten, das war nur der Form wegen, ich habe durchaus nicht vergessen meines Vaters Haus, ach keineswegs, ich habe daran gedacht täglich und stündlich all die zahllosen Jahre her, wo ich doch Benjamin, dem Kleinen, versprochen habe im Irrgarten des Zerrissenen, daß ich sie alle nachkommen lassen wolle, wenn ich erhöht sein und Schlüsselgewalt haben würde ... Sicher, daß sie es sind? Hier, da steht es, das kam mit rennendem Boten und hat sie um einen Tag überholt oder zwei. Die Söhne Jaakobs, des Sohnes Jizchaks, vom Haine Mamre, der zu Hebron ist: Ruben, Schimeon, Levi, Juda, Dan, Naphtali ... zum Behuf des Getreidekaufs ... Und du sprichst von Zweifel? Sie sind es, sie sind es zu zehnen! Sie kamen unter den Kommenden, mit einem Reisezug von Käufern. Die Schreiber ahnten nicht, wen sie da aufzeichneten. Und sie selber, sie ahnen nicht, sie haben nicht die leiseste Ahnung, vor wen man sie führen wird, und wer da Markt hält als des Königs Oberster Mund im Lande. Mai, wenn du wüßtest, wie mir zumute ist! Aber ich weiß es selber nicht, es ist Tohu und Bohu in mir, wenn du das Wort verstehst. Und dabei hab’ ich’s gewußt

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