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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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und erwartet und darauf gewartet seit Jahren und Tagen. Gewußt hab’ ich’s, als ich vor Pharao stand, und als ich ihm deutete, da habe ich’s mir gedeutet, wo Gott hinauswollte, und wie er diese Geschichte lenkt. Was für eine Geschichte, Mai, in der wir sind! Es ist eine der besten! Und nun kommt’s darauf an und liegt uns ob, daß wir sie ausgestalten recht und fein und das Ergötzlichste daraus machen und Gott all unseren Witz zur Verfügung stellen. Wie fangen wir’s an, einer solchen Geschichte gerecht zu werden? Das ist's, was mich so aufregt ... Glaubst du, daß sie mich erkennen werden?«
    »Wie soll ich das wissen, Adôn? Nein, ich glaube nicht. Du bist doch beträchtlich gereift, seit sie dich zerrissen. Und vor allem wird ihre Ahnungslosigkeit sie mit Blindheit schlagen, daß sie nicht auf den Gedanken kommen und ihren Augen nicht glauben werden. Zwischen Erkennen und Merken, daß man erkennt, ist noch ein gutes Stück Weges.«
    »Richtig, richtig. Trotzdem schlägt mir das Herz vor Angst, daß sie mich erkennen.«
    »Willst du denn nicht, daß sie’s tun?«
    »Aber nicht gleich, Mai, beileibe nicht gleich! Daß sich’s verzögert und sie’s nur langsam begreifen, bevor ich das Wort spreche und sage: ›Ich bin’s‹, das ist erstens nötig zum Schmuck und zur Ausgestaltung dieser Gottesgeschichte, und zweitens ist da zuvor noch so manches zu prüfen und auszumachen, und will auf den Busch geklopft sein, vor allem von wegen Benjamins ...«
    »Ist Benjamin mit ihnen?«
    »Eben nicht! Ich sage dir ja, daß sie zu zehnen sind und nicht zu elfen. Wir sind doch zwölf! Es sind die Rotäugigen und die Söhne der Mägde, aber nicht meiner Mutter Sohn, der Kleine. Weißt du, was das bedeutet? Du verstehst das alles sehr langsam in deiner Ruhe. Daß Ben nicht dabei ist, das läßt doppelte Deutung zu. Es mag beweisen, – möchte ihm doch diese Deutung zukommen! – daß mein Vater noch lebt, – denke dir, daß er noch lebt, der Feierliche! – und über den Jüngsten wacht, also daß er ihm die Reise verboten und sie ihm nicht zugemutet hat aus Besorgnis, es möchte ihn unterwegs ein Unglück betreten. Rahel starb ihm auf der Reise, ich starb ihm auf der Reise, – wie sollt’ er nicht eingenommen sein gegen das Reisen und davon zurückhalten das Letzte, was ihm blieb von der Lieblichen? – Das also kann’s meinen. Es kann aber auch meinen, daß er dahin ist, mein Vater, und daß sie sich garstig gehaben gegen den Schutzlosen, daß sie ihn beiseite stoßen unbrüderlich und ihm Gemeinschaft verweigern, weil er von der Rechten ist, der arme Kleine ...«
    »Du nennst ihn immer den Kleinen, Adôn, und scheinst nicht in Rechnung zu stellen, daß er doch auch gereift sein muß unterdessen, dein Brüderchen rechter Hand. Bedenkt man’s klar, so muß er heute ein Mann sein in der Blüte der Jahre.«
    »Schon möglich, schon richtig. Bleibt aber doch immer der Jüngste, Freund, der Jüngste von Zwölfen, wie sollte man den nicht klein nennen? Um den Jüngsten ist’s immer eine besondere, liebliche Sache, und ist eine Gunst und ein Zauber um ihn in der Welt, für die es sich beinah gehört, daß sie Mißgunst und Tücke zeitigen aufseiten der Älteren.«
    »Sieht man deine Geschichte an, lieber Herr, so gewinnt man ein Bild, als ob eigentlich du der Jüngste wärst.«
    »Eben, eben. Ich will’s nicht leugnen, mag sein, daß etwas Wahres ist an deiner Bemerkung, und daß die Geschichte hier etwas ungenau spielt, mit einer Abweichung. Daraus eben mach’ ich mir ein Gewissen und halte mit aller Entschiedenheit darauf, daß dem Kleinsten sein Teil wird und seine Ehre als Jüngster, und wenn die Zehn ihn verstoßen haben und sich garstig gegen ihn stellen; wenn sie gar, ich will’s nicht denken, mit ihm umgesprungen sind, wie einst mit mir, – dann mögen ihnen die Elohim gnaden, Mai, sie würden übel anlaufen bei mir, garnicht zu erkennen geben würd’ ich mich ihnen, das schöne ›Ich bin’s‹ fiele unter den Tisch; erkennten sie mich, so würde ich sprechen: ›Nein, ich bin’s nicht, ihr Missetäter!‹, und nur einen fremden, strengen Richter würden sie in mir finden.«
    »Seh' einer an, Adôn! Nun machst du schon eine andere Miene und ziehst andere Saiten auf deine Leier. Garnicht mehr eitel Sanftmut und milde Versöhnung hast du im Sinn, sondern gedenkst, wie sie mit dir umgesprungen, und scheinst mir der Mann denn doch, zwischen Tat und Ergebnis recht wohl zu unterscheiden.«
    »Ich weiß es

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