Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
ist aber nicht dabei, und alles, was ich weiß, ist, daß er hergeschafft werden muß, erstens, daß ich ihn sehe, und zweitens, wenn er da ist, Mai, so kommt auch der Vater. Kurzum, verpflichtet habe ich unsere Leute, ihnen diskret die Hände unter die Füße zu breiten, daß ihr Fuß nicht an einen Stein stoße, wenn dir die Redensart etwas sagt. Hier aber soll man sie vor mich leiten ins Ministerium, in den Saal, wo ich Gehör gebe.«
»Nicht in dein Haus?«
»Nein, noch nicht. Erst ganz amtlich ins Schreibhaus. Unter uns gesagt, ist dort der Empfangssaal auch größer und eindrucksvoller.«
»Und was willst du da tun mit ihnen?«
»Ja, dann wird wohl der Augenblick gekommen sein, daß ich deinen Braus trinke, denn wo ich dann hin soll vor ihnen, bei dem Gedanken nämlich, wie sie nicht wissen werden, wohin, wenn ich das Wort spreche und sage: ›Ich bin’s‹, – das weiß ich mitnichten. Keinesfalls werde ich aber so ungeschickt sein und so dürftig das Fest schmücken, daß ich mit der Tür in’s Haus falle und gleich herausplatze mit dem ›Ich bin's‹, sondern will noch des Längeren hübsch hinter der Tür bleiben und mich fremd gegen sie stellen.«
»Du meinst: feindlich?«
»Ich meine fremd bis zur Feindlichkeit. Denn, Mai, ich glaube, die Fremdheit würd’ ich nicht über mich bringen, ohne, ich triebe sie bis zur Feindseligkeit. Das ist leichter. Ich muß mir etwas ausdenken, weshalb ich hart mit ihnen sprechen und sie recht anfahren kann. Ich muß tun, als ob ihr Fall mir sehr verdächtig und dunkel wäre, und als ob da erst strenge Nachforschung und Klarstellung der Verhältnisse geboten wäre, oder so, oder so.«
»Wirst du in ihrer Sprache mit ihnen reden?«
»Das ist das erste hilfreiche Wort, das deine Ruhe zustande bringt, Mai!« rief Joseph und schlug sich mit der Hand vor die Stirn. »Es war unbedingt notwendig, daß du mich darauf aufmerksam machtest, denn in Gedanken rede ich die ganze Zeit kanaanäisch mit ihnen, ich Dummkopf. Wie komme ich dazu, kanaanäisch zu können? Es wäre die größte Ungeschicklichkeit! Dabei spreche ich es mit den Kindern, – glaube allerdings, daß sie einen ägyptischen Akzent von mir bekommen. Nun, das ist jetzt meine letzte Sorge. Mir scheint, ich rede Überflüssiges, was allenfalls unter viel ruhigeren Umständen erwähnenswert wäre, aber nicht jetzt. Selbstverständlich darf ich kein Kanaanäisch verstehen, ich muß durch einen Dolmetscher mit ihnen reden, es muß ein Dolmetscher her, ich werde im Ministerium Weisung geben, – ein vorzüglicher, der gleichermaßen in beiden Sprachen Bescheid weiß, damit er ihnen genau und ohne zu mildern oder plump zu vergröbern übermitteln kann, was ich zu ihnen sage. Denn was sie selber sagen, zum Beispiel der große Ruben – ah, Ruben, mein Gott, er war am leeren Loch, er wollte mich retten, ich weiß es vom Wächter, ich glaube nicht, daß ich dir das schon erzählt habe, ich erzähle es dir ein andermal! – was sie selber sagen, das werde ich schon verstehen, darf mir aber nicht merken lassen, daß ich’s verstehe, indem ich etwa aus Unbedachtsamkeit gleich darauf antworte, sondern muß warten, bis der langweilige Wichtigtuer zwischen uns es mir übersetzt hat.«
»Wenn du eingenommen hast, Adôn, wirst du das schon recht machen. Und dann würde ich dir vorschlagen, daß du so tust, als ob du sie für Kundschafter hieltest, die des Landes Blöße erspähen wollen.«
»Ich bitte dich, Mai, spare dir doch deine Vorschläge! Wie kommst du plötzlich dazu, mir mit guten runden Augen Vorschläge zu machen?«
»Ich dachte, ich sollte dir welche machen, gnädiger Herr.«
»Ich dacht’ es ja ursprünglich selber, Freund. Aber wenn ich doch sehe, daß in dieser hoch-festlichen Sache mir niemand raten kann und darf, sondern daß ich sie selber ganz allein ausgestalten muß, wie das Herz es mir eingibt! Denke du, wie du die Geschichte von den drei Liebschaften am Erfreulichsten und Erregendsten schmückst, und laß mich die meine schmücken! Wer sagt dir, daß ich nicht selbst schon auf den Gedanken gekommen bin, mir die Miene zu geben, als hielte ich sie für Spione?«
»So sind wir auf denselben Gedanken gekommen.«
»Natürlich, weil er der einzig richtige ist und es so schon so gut wie geschrieben steht. Diese ganze Geschichte steht überhaupt schon geschrieben, Mai, in Gottes Buch, und wir werden sie miteinander lesen unter Lachen und Tränen. Denn nicht wahr, du bist doch dabei und kommst in’s
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