Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
Vom Netzwerk:
werde auf sie bringen.
    Er aber war die Ruhe selbst, beruhigte sie und sprach:
    »Männer, gehabt euch wohl und fürchtet euch nicht, es ist alles in Ordnung. Oder, wenn außer der Ordnung, so ist’s ein freundlich Wunder. Unser Geld ist uns worden, das muß uns genug sein und ist gar kein Stoff für uns, einen Strick draus zu drehen. Nach allem, was ihr mir sagt, kann ich nur annehmen, daß euer Gott und der Gott eures Vaters sich einen Spaß gemacht und euch einen Schatz gegeben hat in euere Säcke – eine andere Erklärung will meine Vernunft mir nicht vorschlagen. Wahrscheinlich seid ihr ihm fromme und eifrige Diener, und er wollte sich endlich einmal dafür erkenntlich zeigen, das kann man von ihm aus verstehen. Ihr aber scheint mir sehr aufgeregt, das ist nicht gut. Ich will euch Fußbäder zurichten lassen, erstens der Gastlichkeit wegen, – denn unsere Gäste seid ihr und sollt mit Pharao’s Freund zu Mittag speisen, – dann aber auch, weil es das Blut aus dem Kopfe zieht und den Sinn befriedet. Tretet nur ein und seht vor allem, wer euch in der Halle erwartet!«
    In der Halle aber stand ihr Bruder Schimeon auf freiem Fuß, nicht im Mindesten hohläugig und vom Fleisch gefallen, sondern so recken- und raudihaft wie je; denn er hatte es gut gehabt, wie er den freudig ihn Umringenden mitteilte und in einem Gelasse des Großen Amtes für einen Geiselhäftling recht leidliche Tage verlebt, wenn er auch des Moschels Angesicht nicht mehr gesehen und in Sorge gelebt hätte, ob sie denn wiederkämen, – aber immer aufrecht erhalten durch gutes Essen und Trinken. Sie entschuldigten sich bei Lea’s Zweitem, daß sie es mit der Wiederkehr so lange hätten anstehen lassen müssen, wegen Jaakobs Eigensinn, wie er verstünde; und er verstand es und war froh mit ihnen, besonders mit seinem Bruder Levi; denn der eine Raufbold hatte den andern entbehrt, und gab’s zwischen ihnen auch kein Herzen und Küssen, so stießen sie doch einander oft und stark mit der Faust in die Schulter.
    Nun saßen die Brüder sämtlich nieder, um ihre Füße zu waschen, und dann führte sie der Haushalter in den Saal, wo man das Brot auflegte, prangend von Blumen und Frucht-Aufsätzen und schönem Geschirr, und war ihnen behilflich, auf einem langen Anrichte-Tisch an der Wand ihre mitgebrachten Geschenke auszubreiten, Spezereien, Honig, Früchte und Nüsse, und eine hübsche Ausstellung davon zu machen für die Augen des Herrn. Mittendrin aber mußte Mai-Sachme enteilen, denn draußen war Ankunft und Joseph kam heim auf den Mittag, zugleich mit den ägyptischen Herren, die er heute zum Brote geladen, dem Ptach-Propheten, dem Kämpfer des Herrschers, dem Obersten der Landvermesser und den Meistern der Bücher. Mit ihnen kam er herein und sagte: »Gegrüßt ihr Männer!« Jene aber fielen auf ihre Stirnen wie hingemäht.
    Er stand eine Weile und führte die Fingerspitzen über die Stirn. Dann wiederholte er:
    »Freunde, gegrüßt! Stehet doch auf vor mir und laßt mich eure Mienen sehen, daß ich sie wiedererkenne. Denn ihr erkennt mich wieder, wie ich bemerke, und seht, daß ich der Markthalter Ägyptens bin, der sich streng gegen euch stellen mußte, um der Kostbarkeit des Landes willen. Nun aber habt ihr mich versöhnt und versichert durch euere Wiederkunft in rechter Anzahl, sodaß alle Brüder versammelt sind unter einem Dach und in einem Gemach. Das ist ja schön. Merkt ihr, daß ich in eurer Sprache zu euch spreche? Ja, ich kann’s nunmehr. Das vorige Mal, als ihr hier wart, fiel mir auf, daß ich kein Ebräisch verstände und ärgerte mich. Darum hab ich’s unterdessen gelernt. Ein Mann wie ich lernt sowas im Handumdrehen. Wie geht’s und steht’s aber? Vor allen Dingen: Lebt euer alter Vater noch, von dem ihr mir sagtet, und geht es ihm wohl?«
    »Deinem Knecht«, antworteten sie, »unserem Vater, geht es recht wohl, und er lebt noch in Feierlichkeit. Er wäre sehr angetan von der gütigen Nachfrage.«
    Und sie fielen aufs neue nieder, mit ihren Stirnen zum Estrich.
    »Genug geneigt und gebeugt«, sagte er, »und schon zu viel! Laßt mich doch sehen. Ist das euer jüngster Bruder, da ihr mir von sagetet?« fragte er in etwas unbeholfenem Kanaanäisch, denn er hatte es wirklich ein wenig vergessen, und trat auf Benjamin zu. Der geputzte Ehemann schlug andächtig seine grauen Augen, voll einer sanften und klaren Traurigkeit, zu ihm auf.
    »Gott mit dir, mein Sohn!« sprach Joseph und legte die Hand auf seinen Rücken. »Hast du

Weitere Kostenlose Bücher