Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
Schmuck des geschnittenen Himmelssteines, die ihm darreichte oder den Becher hob, – und ihm war, als spürte er Kindheitsduft, strengen, würzig erwärmten, der die Essenz aller Bewunderung, liebenden Vertraulichkeit, aller bestürzenden Ahnung, alles kindlichen Nicht-Verstehens und Doch-Verstehens, aller Gläubigkeit und zärtlichen Besorgnis war: Myrtenduft. Eines war dieser Erinnerungsduft mit der inneren Arbeit an einem schönen Rätsel, dem ängstlich-stolzen und folgsamen Erforschen einer sich andeutenden schreckhaften Identität, mit dem halb gequälten, halb glückseligen Herumraten an der Einerleiheit des kameradschaftlich Gegenwärtigen mit etwas viel Höherem, Göttlichen, – darum glaubte Turturra’s kurzes Näschen den Würzduft der Kindheit zu spüren, denn es war wieder so, nur umgekehrt, aber was macht die Umkehrung aus!: in dem gegenwärtig Hohen und Fremden wollte nun das Vertraute erraten sein, für das es augenblicksweise herzaufstörend durchsichtig wurde.
Der Herr des Kornes plauderte unterm Speisen anhaltend mit ihm – fünfmal so viel wie mit dem ägyptischen Ehrenhaupt zu seiner Rechten. Er fragte ihn aus nach seinem Leben daheim, nach seinem Vater, nach seinen Weibern und Kindern: das älteste davon hieß Bela, der vorläufig Jüngste Mupim. »Mupim!« sagte der Herr des Kornes. »Gib ihm einen Kuß von mir, wenn du heimkommst, denn es ist zauberhaft, daß der Jüngste gar einen Jüngsten hat. Wer ist aber der Vorjüngste ihm zunächst? Ros heißt er? Bravo! Ist er von derselben Mutter wie jener? Ja? Und treiben sie sich wohl viel miteinander herum in der Welt, im Grünen? Daß nur der Größere dabei den Kleinen nicht, der noch ein Knirps ist, mit weiß Gott was für Unzukömmlichkeit, Gottesgeschichten und großen Einbildungen ängstigt. Gib da acht, Vater Benjamin!« Und er erzählte ihm von seinen eigenen Söhnen, die ihm die Sonnentochter gebracht, Manasse und Ephraim, wie ihm die Namen gefielen? Gut! sagte Benjamin und stand an der Schwelle der Frage, warum sie so auffallend hießen, stockte jedoch an der Schwelle der Frage und stand da mit weiten Augen. Aber nicht lange; denn sein Nachbar, der Fürst in Ägyptenland, erzählte Schnurren von Manasse und Ephraim, was der Eine geplappert und der Andere Verqueres angestellt, und das brachte Benoni auf eigene Kinderstuben-Geschichten derselben Art, und man sah die beiden sich biegen vor Lachen bei ihrem Austausch.
Zwischenein faßte Benjamin sich ein Herz und klopfte an:
»Will wohl deine Herrlichkeit mir eine Frage beantworten und dem Gaste ein Rätsel lösen?«
»Nach bestem Vermögen«, erwiderte jener.
»Es ist nur«, sagte der Kleine, »daß du meine Unruhe stillst und mein Staunen besänftigst einer Kenntnis wegen, die du bekundet und wegen einer Genauigkeit, die deine Verfügungen aufweisen. Es hat dein Geist unsere Namen am Schnürchen, meiner Brüder und meinen, nebst unsrer Altersfolge, sodaß du uns ohne Stocken noch Irrtum der Reihe nach aufführen magst, wie wohl der Vater sagt, daß später einmal in aller Welt die Kinder es werden lernen müssen, denn wir sind eine gotterlesene Familie. Woher weißt du’s, und wie ist’s, daß dein ruhiger Haushalter uns die Plätze anzuweisen vermag, dem Erstgeborenen nach seiner Erstgeburt und dem Jüngsten nach seiner Jugend?«
»Ach«, antwortete der Markthalter, »darüber wundert ihr euch? Das ist ganz einfach. Denn da ist hier dieser Becher, siehst du? silbern, mit keilförmiger Inschrift, aus dem ich trinke und mit dem ich weissage. Ich habe ja meinen guten Verstand, der sogar überdurchschnittlich sein mag, da ich bin, der ich bin, und Pharao nur gerade des königlichen Stuhles höher sein wollte als ich; und doch wüßte ich ohne den Becher kaum auszukommen. Der König von Babel hat ihn Pharao’s Vater zum Geschenk gemacht, – womit ich nicht mich meine, der ich den Titel ›Vater Pharao’s‹ führe (Pharao aber pflegt mich ›Onkelchen‹ zu nennen), sondern seinen wirklichen Vater, will wiederum sagen: nicht den göttlichen, vielmehr den irdischen, Pharao’s Vorgänger, König Neb-ma-rê. Diesem hat er das Ding zum Angebinde gesandt, und so kam es auf meinen Herrn, der mir eine Freude damit zu machen geruhte. Ein Ding, wie ich es wirklich brauchen kann, von nutzbarsten Eigenschaften. Denn es zeigt mir das Vergangene und Zukünftige an, wenn ich darin lese, läßt mich die Geheimnisse der Welt durchschauen und legt mir ihre Verhältnisse offen, wie zum Beispiel
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