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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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schon immer so gute Augen gehabt und einen so schönen blanken Helm von Haar auf dem Kopf, selbst als du noch ein Männlein warst und herumliefst als Knirps in der Welt, im Grünen?«
    Er schluckte.
    »Nun aber komme ich gleich wieder«, sagte er. »Ich will mir nur eben –« Und er ging schnell hinaus: in sein Eigen wohl und in sein Schlafgemach, kam aber bald wieder zurück mit gewaschenen Augen.
    »All meine Pflichten versäum’ ich«, sagte er, »und mache nicht einmal meines Hauses Gäste unter einander bekannt! Meine Herren, dies sind Käufer aus Kanaan, von feierlicher Herkunft, alle eines bedeutenden Mannes Söhne.«
    Und er sagte den Ägyptern die Namen der Söhne Jaakobs her, genau nach der Reihe, sehr flüssig und wie ein Gedicht, indem er nach jedem dritten Namen ein wenig absetzte, – unter Auslassung seines eigenen natürlich: – nach Sebulun machte er eine kleine Pause, um dann zu enden: »und Benjamin«. Sie erstaunten aber, daß er so in der Reihenfolge ihre Namen zu sagen wußte, und verwunderten sich untereinander.
    Danach nannte er ihnen die Namen der ägyptischen Ehrenhäupter, die sich recht steif verhielten. Er lächelte darüber, sagte: »Laß auftragen!« und rieb sich die Hände wie Einer, der zu Tische geht. Aber sein Haushalter wies ihn noch auf die Geschenke hin, die da ausgebreitet waren, und er bewunderte sie mit Herzenshöflichkeit.
    »Von euerem Vater, dem alten?« fragte er. »Das ist rührend aufmerksam! Wollt ihr ihm meinen besten Dank bestellen!«
    Es sei nur eine Kleinigkeit, erklärten sie, vom Preis ihres Landes.
    »Es ist sehr viel!« widersprach er. »Und vor allem ist es sehr schön. Ich habe nie so feines Tragakanth gesehen. Und solche Pistaziennüsse, denen man den öligen Wohlgeschmack von Weitem anmerkt, gibt’s freilich nur bei euch zu Hause. Kaum kann ich die Augen davon lassen. Nun aber heißt es, zu Mittag essen.«
    Und Mai-Sachme wies allen die Plätze an, wobei denn die Brüder abermals Ursache fanden, sich zu verwundern; denn genau ihrem Alter nach setzte man sie, wenn auch, vom Hausherrn aus, in umgekehrter Reihenfolge, sodaß der Jüngste ihm am nächsten saß und es von ihm über Sebulun, Issakhar und Ascher rückwärts hinaufging bis zum großen Ruben. Die Anordnung war so, daß zwischen den umlaufenden Säulen des ägyptischen Saales die Speiseplatten in einem offenen Triangel standen, dessen Spitze der Tisch des Gastgebers bildete. Rechts von ihm reihten die Tische der einheimischen Herren und links von ihm die der asiatischen Fremden sich schräge dahin, so daß er beiden vorsaß und rechter Hand den Propheten des Ptach, zu seiner Linken aber den Benjamin hatte. Gastlich und froh gelaunt ermahnte er alle, derb zuzugreifen und Speisen und Wein nicht zu schonen.
    Dieses Mahl ist ja berühmt wegen seiner Heiterkeit, vor der sehr bald auch die anfängliche Steifigkeit der ägyptischen Häupter zuschanden wurde, sodaß sie auftauten und ganz vergaßen, daß es grundsätzlich ein Greuel vor ihnen war, mit den Ebräern Brot zu essen. Der Kämpfer des Herrschers, Oberst Entef-oker, wurde zuerst vergnügt, da er viel syrischen Wein trank und unterhielt sich schallend von Tisch zu Tisch über den Dreiecksraum hinüber mit dem geraden Gad, der ihm unter den Sandbewohnern am besten gefiel.
    Es darf nicht befremden, daß die Überlieferung bei alldem Josephs Gemahlin, Asnath, die Tochter des Sonnenpriesters, außer Sicht läßt und auf der Vorstellung eines reinen Herrenmahles besteht, obgleich doch nach ägyptischer Sitte Ehepaare zusammen speisten und auch bei Festgelagen die Hausfrau nicht fehlte. Aber die Richtigkeit dieser alten Darstellung sei hier bestätigt, – nicht mit der Erläuterung, daß etwa »das Mädchen«, dem Ehekontrakt gemäß, gerade bei ihren Eltern auf Urlaub gewesen sei – was ja leicht möglich gewesen wäre –, sondern mit dem Hinweis auf Josephs Tageseinteilung und Lebensweise, die es dem Erhöhten meistens verbot, tagüber Frauen und Kinder zu sehen. Die – allerdings sehr muntere – Mahlzeit mit den Brüdern und den ansässigen Honoratioren war kein Festessen, sondern ein Geschäftsfrühstück, wie Pharao’s Freund sie fast täglich zu geben hatte, sodaß er gewöhnlich erst die Abendmahlzeit mit seiner Gattin – und zwar im Frauenflügel des Hauses – einnahm, nachdem er sich einige Beschäftigung mit Manasse und Ephraim, dem anmutigen Halbblut, gegönnt. Mittags dagegen aß er das Brot im Männerkreise, sei es nur mit

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